Sonntag, 7. März 2010

Weihnachten, wie es jedes Jahr sein könnte...

Schon lange stand fest, dass alle Freiwilligen die Zeit zwischen den Jahren gemeinsam verbringen würden – so konnten wir uns nach vier Monaten wiedersehen und die eventuell aufkommene Einsamkeit vermeiden. Es wurde nicht lange überlegt und sich schnell auf den Treffpunkt geinigt: Zanzibar, Weihnachts-Aufenthaltsort aller jungen Weißen, die sich für eine längere Zeit in Tansania befinden.

Untergebracht waren wir in dem für tansanische Verhältnisse geräumigen und luxuriösen Haus von einem der Chefs. Er hatte uns freundlicherweise nicht nur dieses, sondern auch seine zwei, wie sich herausstellen sollte klapprigen, Kleinbusse überlassen. So stand der Erkundungstour der Insel nichts mehr im Weg.


Zu Beginn wurde die größte Stadt der Insel, Stone Town, besichtigt. Es ist eine wunderschöne Stadt, deren Architektur sich nicht so ganz zwischen dem griechischem und arabischem Baustil entscheiden zu können scheint. Von der Fähre aus blickt man auf eine strahlend weiße, prachtvolle Häuserreihe, die direkt am Strand liegt. Dringt man tiefer in die Altstadt ein, befindet man sich sofort in einem Labyrinth von kleinen Gassen, in denen neben den üblichen Touristenwaren wunderschöne Stoffe und Kunstwerke verkauft werden.

Es dringt kaum Sonnenlicht in dieses verschachtelte Straßensystem. Pompös verschnörkelte Fensterläden und Türen zieren die weniger schönen Häuserfronten, deren Farbe abblättert und somit den grauen, schimmeligen Putz durchscheinen lässt. Aber wahrscheinlich sind es genau diese Makel, denen die Stadt ihren Charme zu verdanken hat.


Wenn man früh morgens unterwegs ist, trifft man an jeder Häuserecke auf die kleinen Stände sehr alter Herren, an denen sie Ingwertee, bitteren Mokka und zuckersüßes Gebäck verkaufen. Sie scheinen der Treffpunkt der alten Herrschaften nach dem morgendlichen Moscheebesuch zu sein. Man muss sich nur zu ihnen setzen, ein bisschen über das schöne Wetter quatschen und schon hat man sie so glücklich gemacht, dass sie einem nicht nur – die zanzibarische Herzlichkeit lobend – die Köstlichkeiten bezahlen, sondern direkt einen Heiratsantrag machen.


Abends verwandelt sich Stone Town in ein buntes Lichtermeer. Besonders in den Forodhani Gardens, einem recht neu gestaltetem Platz mit prächtigen Torbögen, erleuchten viele Petroleumlampen die Stände der Köche. Sobald es dunkel ist, statten sie sich mit weißen Chefkochmützen aus und beginnen, verlockend duftende Speisen zuzubereiten: krosse Fleischspieße, Meerestiere aller Art, scharfe Kartoffelbällchen, Fettgebackenes, frittiertes Gemüse oder die köstliche „Zanzibar-Pizza“ (Man nehme eine Schicht hauchdünnen Blätterteig, ein Häufchen Hackfleisch drauf, eine ordentliche Portion Zwiebeln, ein bisschen Käse und schließlich ein Ei drauf, alles gut vermengen und dann auf eine gigantische Pfanne hieven, braten lassen – fertig!). Es regt ein wirres Treiben und man jagt von Stand zu Stand, unfähig sich zu entscheiden, was man sich jetzt am liebsten gönnen möchte.


Seinen Durst kann man mit frisch gepresstem Zuckerrohrsaft löschen, der mit etwas Ingwer verfeinert und mit ein paar Eiswürfeln serviert das erfrischendste Getränk ist, dass man sich in diesen Breitengraden vorstellen kann.

Wenn man dann mit diesem Saft in der Hand und einer Portion Hummer auf dem Schoß auf der Promenadenmauer hockt und die Lichtpunkte der Fischerboote im schwarzen Horizont verschwinden sieht, kann das Leben nicht schöner sein.


Am Heiligabend waren wir von einer zanzibarischen Familie zum Festmahl eingeladen worden. Extra für uns wurden sämtliche Inselspezialitäten aufgetischt (vielmehr wurden sie auf den Boden gestellt), welche wir dann im geselligen Sitzkreis verspiesen haben. Nachdem wir uns die Bäuche vollgeschlagen hatten, gingen einige von uns in den Gottesdienst, andere zogen es vor, all die Eindrücke am Strand zu verdauen.
Zurück in unserem Haus wurde bei Kerzenschein gewichtelt, schließlich gehören Geschenke einfach zu Weihnachten dazu.


Für die nächsten Tage war von den zanzibarischen Freiwilligen ein straffes Programm vorbereitet worden: Bei einer Gewürztour lernten wir, wie Pflanzen, die man in Deutschland nur im getrockneten Zustand kennt, wachsen. Muskat ähnelt zum Beispiel Kastanien, der Kern an sich ist aber von einem Netz roter Fäden umgeben, die laut unserem Guide eine Viagra-ähnliche Funktion haben. Überhaupt waren für ihn alle Pflanzen in irgendeiner Weise in diese Kategorie zu stecken.


Wir sind mit einem kleinen Boot mit dem Namen Mr.Bean zu einer winzigen Insel gefahren, die hauptsächlich Wohnort von Dutzenden Riesenschildkröten ist. Von da aus haben wir eine Schnorcheltour gemacht, bei der wir nur einen halben Meter über sehr schönen Korallen und mit einer Vielzahl von Fischen schwimmen konnten.
Außerdem haben wir in einem Wildpark kleine Äffchen beobachtet und einen Schmetterlingspark besucht.


Es war ein wunderbares Freiheitsgefühl, auf zurückgelegten Sitzen und mit guter Musik (dank Boom-Box) im Fake-VW-Bus über die Insel zu pesen, während einem der Fahrtwind um die Ohren pfiff und die vom Baden noch nasse Kleidung trocknete und draußen ins warme Abendlicht getauchte Bananenpalmen an uns vorbeirasten. Doch nicht immer hatten die Autofahrten eine so entspannte Atmosphere. Da die Autos schon einige Jahre auf dem Kasten und mit uns 16 Freiwilligen samt Gepäck auch nicht gerade eine leichte Fracht zu transportieren hatten, kamen wir nicht immer reibungslos an unser Ziel geschweige denn von unserem Startpunkt los. Denn sobald wir alle startbereit waren (was dank Integration ins tansanische Zeitgefühl nicht allen auf Anhieb leicht gefallen ist), wollte der Motor nicht anspringen oder die Verbindung zur Batterie war gestört oder am besten beides. Funktionierte all dies im „Inneren“ der Autos wunderbar, dann war mindestens ein Reifen platt. Innerhalb der 10 Tage auf Zanzibar haben wir 5 Ersatzreifen benötigt, ob es an unserer Fahrweise oder an den teilweise steinigen Straßen lag, wissen wir nicht.


So ist auch der Weg zu der Silvesterparty von einem solchen kleinen Zwischenfall locker um zwei Stunden verlängert worden. Wir waren guter Laune und unterwegs zu der Strandparty der Insel. Der Strand lag ungefähr anderthalb Stunden entfernt im Norden der Insel. Von den Erkundungstouren der Insel recht erschöpft, versuchten wir uns mit Musik schonmal in Tanzstimmung zu bringen, als 20 Minuten vor Ankunft auf einmal ein lauter Knall zu hören war und wir uns mitten in der Pampa mit geplatzem Reifen wiederfanden. Dann hieß es: aussteigen, nachschauen, Wagenheber rausholen und den glücklicherweise gerade neu gekauften Ersatzreifen einwechseln. Es war stockduster und vielleicht haben wir deshalb die ca. 50 Männer und Frauen sich nicht nähern sehen, doch waren wir plötzlich von vielen lachenden aber hilfsbereiten Tansaniern umgeben. Da sich Reifen auf unebenen Straßen nicht so leicht wechseln lassen, musste der Bus von vielen Händen gestützt werden. Schließlich war es geschafft und wir erreichten den Partystrand.


Nie war ich jemals zuvor so pünktlich zum Jahreswechsel erschienen, wir fanden uns in der Menge wieder als der Countdown schon die 5 erreicht hatte.




Montag, 1. März 2010

Wo Katzen mit Kakerlaken spielen...

Wie oft hat man mir in den letzten Wochen gesagt, ich solle doch mal wieder einen Blogeintrag schreiben! Einerseits brauchte es bis jetzt, dass das schlechte Gewissen, all die Erlebnisse schriftlich nicht festzuhalten- für euch und für mich-, die Faulheit besiegt hat und andererseits ist meine Enttäuschung erst jetzt überwunden. Dies ist nämlich nicht der erste Versuch, euch von meiner besonderen Reise zu berichten. Ich bin der unerträglichen Schwüle Dar es Salaams entflohen, habe an Zanzibars Traumstränden Tage und Nächte verbracht, bin nachts von den Hafenmauern Stone Towns ins kühle Wasser eingetaucht und Tansanias Tiervielfalt im Ruaha National Park begegnet – ich werde ein anderes Mal ausführlicher berichten.



Auf jeden Fall habe ich die bisher abwechslungsreichste, spannendste und beste Zeit meines Lebens in den anderthalb Monaten verbracht und einen etwas anderen Jahreswechsel erlebt.
Es ist so viel passiert, dass ich nach meiner Rückkehr sehr aufgewühlt war und wirklich Schwierigkeiten hatte, das Erlebte in Worte zu fassen. Naja, eines Abends war es mir gelungen, fast 8 Seiten zu füllen und ich war stolz auf das Ergebnis. Dass ich sie am nächsten Morgen im Büro online stellen wollte, sollte anscheinend nicht sein.



Maria und ich sind morgens um 10 Uhr nach einem Treffen mit einem Schulminister entlang einer stillgelegten Eisenbahnstrecke zum Büro gelaufen, als zwei junge Männer angerannt kamen, Maria ein großes Buschmesser an die Kehle hielten und uns die Taschen wegrissen. Völlig geschockt aber glücklicherweise unverletzt mussten wir feststellen, dass uns soeben neben den meisten unserer Wertsachen die Arbeitsergebnisse des letzten halben Jahres gestohlen wurden. Wie üblich, wenn wir zur Arbeit gingen, hatten wir beide unsere Laptops dabei, drei Handys, meine Online-banking Zugangsdaten und einige Memorysticks. Wir hatten unsere Arbeitsdokumente dort für den Fall eines Computerabsturzes gespeichert – dass sie uns gestohlen werden konnten, war uns nicht in den Sinn gekommen.



So waren wir innerhalb einer halben Minute an den Beginn unserer Arbeit zurückkatapultiert worden. All die Recherche, die wir vorbereitend für unser Schulprojekt und die Solarpresentationen in Dörfern gemacht hatten, war umsonst gewesen; sämtliche Versuche zu erneuerbaren Energien und unsere dokumentierten Ideen, wie man eine Unterrichtsstunde anschaulich gestalten konnte, waren weg. Gerade waren wir startbereit, den Unterricht mit den Lehrern zu planen und freuten uns darauf, aktiv zu werden, nachdem wir so viele Hürden gemeistert hatten.



Traurig war auch, dass wir unsere persönlichen Dinge verloren hatten. Die vielen Fotos, die unsere ersten Monate in Afrika dokumentierten, unsere mühsam zusammengesuchte Musiksammlung, die uns durch ganz unterschiedliche Launen geholfen hatte. Welcher Verlust mir aber am meisten Leid tut, sind die tagebuchartigen Texte, die ich immer wieder geschrieben hatte, nur für mich. Unersetzbar und ohne Kopie.



Schockierend war auch die Reaktion unseres Chefs, als wir völlig aufgelöst im Büro ankamen. Er zeigte keine Regung, kein Mitleid oder Trost, noch nicht mal ein „Pole", dass soviel bedeutet wie „Tut mir Leid" und in Tansania sonst in jeder auch noch so belanglosen Situation gesagt wird, brachte er hervor. Vielmehr schien er direkt alle Schuld von sich weisen zu wollen (in einer Situation, von der von Schuld keine Rede sein konnte) und sich darüber zu amüsieren, wie blöd die beiden weißen Mädels mal wieder gewesen sind. Ihr müsst wissen, unser Verhältnis zu ihm ist kein gutes, aber dafür, dass er uns sonst vor anderen immer als seine Töchter beschreibt, war er eiskalt.



Den Weg den wir genommen hatten, waren wir schön öfters auch alleine gegangen und nie davor gewarnt worden, es könne dort gefährlich werden. Während des Überfalls waren einige andere Tansanier anwesend, weil die Strecke einen beliebter Verbindungsweg zwischen zwei Hauptstraßen bildet. Ob sie aus Angst oder Desinteresse nicht eingegriffen haben, wissen wir nicht, aber wir waren empört. Einfach zuzuschauen, wie zwei junge Frauen so bedroht werden...
Unser Chef brachte uns zur Polizeistation, wo unsere Namen und die gestohlenen Dinge vermerkt wurden. In Tansania dauert alles länger und dass man nicht immer perfekt ausgebildete Arbeiter verlangen kann, ist auch klar. Aber nachdem ich von einem Polizisten sexuell belästigt wurde, wir von sämtlichen anderen nach unseren Handynummern gefragt wurden (dass uns gerade alles gestohlen worden war, hatten sie anscheinend schon wieder vergessen) und sich unser Chef mit den Beamten über unser Gewicht lustig gemacht hatte, konnte ich nicht anders, als dem unfähigen Beamten den Stift aus der Hand zu nehmen und selber aufzuschreiben, was gestohlen wurde. Ich wollte nicht noch weitere zwei Stunden darauf warten, dass er mit der Schreibweise unserer Namen klarkam. Ich war den Tränen nahe ob der Unverschämtheiten der Polizisten.



Schließlich stellten wir uns dann die Frage, was jetzt geschehen wird. Nach vielen Telefonaten mit unserer deutschen Chefin entschieden wir dann mit den tansanischen Chefs und Betreuern in Dar es Salaam, dass wir die Einsatzstelle wechseln würden. Jetzt wird alles arrangiert, eine Unterkunft für uns gesucht und wir warten nur noch auf das OK, umziehen zu können. Das Verhältnis zu unserem Chef ist gestört, seitdem wir ihn auf sein Verhalten angesprochen haben. Da es für die DTP wichtig und auch in unserem Interesse ist, bringen wir die angefangenen Projekte noch zu einem Ende, um Enttäuschungen zu vermeiden.



Man hat uns gefragt, ob es nicht eine Art Weglaufen ist, was wir jetzt machen, aber ich bin ehrlich. Da bin ich lieber jetzt egoistisch, starte nochmal neu in einer neuen Stadt und neuen Einsatzstelle und erlebe noch eine gute zweite Hälfte des Freiwilligenjahres, als in einer Einsatzstelle und Stadt unzufrieden zu sein, in der ich zusammenzucke, wenn Menschen hinter mir anfangen zu rennen. Ich sehe es auch als Chance an, Tansania nochmal anders zu erleben. Es ist so, als würde ich zwei Freiwilligenjahre machen. Wenn man wie ich nicht nur an den Erfolg eines Projektes, sondern auch an die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse denkt und das Jahr zu einem unvergesslichen Abschnitt der Jugend machen will, ist es eigentlich ideal. So hat alles Unglück doch auch immer eine gute Seite.



Es war jedoch erstaunlich wie viele Tansanier, denen wir von dem Vorkommen erzählten, direkt zum Ausdruck brachten, Arusha und seine Einwohner seien eigentlich ganz friedliche Menschen. Na klar, es gibt überall Gute und Böse. Wir versuchen in den letzten Tage hier dem Bösen aus dem Weg zu gehen und noch die Dinge zu tun, die wir schon immer in Arusha machen wollten. Mir fällt es auch wieder leicht, mich an den kleinen schönen Dingen des Tages zu erfreuen, so sah ich gestern, wie die junge Nachbarskatze spielerisch um eine richtig fette Kakerlake rumstolperte und an ihr gar nichts abstoßend zu finden schien.

Wo Katzen mit Kakerlaken spielen...

Wie oft hat man mir in den letzten Wochen gesagt, ich solle doch mal wieder einen Blogeintrag schreiben! Einerseits brauchte es bis jetzt, dass das schlechte Gewissen, all die Erlebnisse schriftlich nicht festzuhalten- für euch und für mich-, die Faulheit besiegt hat und andererseits ist meine Enttäuschung erst jetzt überwunden. Dies ist nämlich nicht der erste Versuch, euch von meiner besonderen Reise zu berichten. Ich bin der unerträglichen Schwüle Dar es Salaams entflohen, habe an Zanzibars Traumstränden Tage und Nächte verbracht, bin nachts von den Hafenmauern Stone Towns ins kühle Wasser eingetaucht und Tansanias Tiervielfalt im Ruaha National Park begegnet – ich werde ein anderes Mal ausführlicher berichten.

Auf jeden Fall habe ich die bisher abwechslungsreichste, spannendste und beste Zeit meines Lebens in den anderthalb Monaten verbracht und einen etwas anderen Jahreswechsel erlebt.
Es ist so viel passiert, dass ich nach meiner Rückkehr sehr aufgewühlt war und wirklich Schwierigkeiten hatte, das Erlebte in Worte zu fassen. Naja, eines Abends war es mir gelungen, fast 8 Seiten zu füllen und ich war stolz auf das Ergebnis. Dass ich sie am nächsten Morgen im Büro online stellen wollte, sollte anscheinend nicht sein.

Maria und ich sind morgens um 10 Uhr nach einem Treffen mit einem Schulminister entlang einer stillgelegten Eisenbahnstrecke zum Büro gelaufen, als zwei junge Männer angerannt kamen, Maria ein großes Buschmesser an die Kehle hielten und uns die Taschen wegrissen. Völlig geschockt aber glücklicherweise unverletzt mussten wir feststellen, dass uns soeben neben den meisten unserer Wertsachen die Arbeitsergebnisse des letzten halben Jahres gestohlen wurden. Wie üblich, wenn wir zur Arbeit gingen, hatten wir beide unsere Laptops dabei, drei Handys, meine Online-banking Zugangsdaten und einige Memorysticks. Wir hatten unsere Arbeitsdokumente dort für den Fall eines Computerabsturzes gespeichert – dass sie uns gestohlen werden konnten, war uns nicht in den Sinn gekommen.

So waren wir innerhalb einer halben Minute an den Beginn unserer Arbeit zurückkatapultiert worden. All die Recherche, die wir vorbereitend für unser Schulprojekt und die Solarpresentationen in Dörfern gemacht hatten, war umsonst gewesen; sämtliche Versuche zu erneuerbaren Energien und unsere dokumentierten Ideen, wie man eine Unterrichtsstunde anschaulich gestalten konnte, waren weg. Gerade waren wir startbereit, den Unterricht mit den Lehrern zu planen und freuten uns darauf, aktiv zu werden, nachdem wir so viele Hürden gemeistert hatten.

Traurig war auch, dass wir unsere persönlichen Dinge verloren hatten. Die vielen Fotos, die unsere ersten Monate in Afrika dokumentierten, unsere mühsam zusammengesuchte Musiksammlung, die uns durch ganz unterschiedliche Launen geholfen hatte. Welcher Verlust mir aber am meisten Leid tut, sind die tagebuchartigen Texte, die ich immer wieder geschrieben hatte, nur für mich. Unersetzbar und ohne Kopie.

Schockierend war auch die Reaktion unseres Chefs, als wir völlig aufgelöst im Büro ankamen. Er zeigte keine Regung, kein Mitleid oder Trost, noch nicht mal ein „Pole", dass soviel bedeutet wie „Tut mir Leid" und in Tansania sonst in jeder auch noch so belanglosen Situation gesagt wird, brachte er hervor. Vielmehr schien er direkt alle Schuld von sich weisen zu wollen (in einer Situation, von der von Schuld keine Rede sein konnte) und sich darüber zu amüsieren, wie blöd die beiden weißen Mädels mal wieder gewesen sind. Ihr müsst wissen, unser Verhältnis zu ihm ist kein gutes, aber dafür, dass er uns sonst vor anderen immer als seine Töchter beschreibt, war er eiskalt.

Den Weg den wir genommen hatten, waren wir schön öfters auch alleine gegangen und nie davor gewarnt worden, es könne dort gefährlich werden. Während des Überfalls waren einige andere Tansanier anwesend, weil die Strecke einen beliebter Verbindungsweg zwischen zwei Hauptstraßen bildet. Ob sie aus Angst oder Desinteresse nicht eingegriffen haben, wissen wir nicht, aber wir waren empört. Einfach zuzuschauen, wie zwei junge Frauen so bedroht werden...
Unser Chef brachte uns zur Polizeistation, wo unsere Namen und die gestohlenen Dinge vermerkt wurden. In Tansania dauert alles länger und dass man nicht immer perfekt ausgebildete Arbeiter verlangen kann, ist auch klar. Aber nachdem ich von einem Polizisten sexuell belästigt wurde, wir von sämtlichen anderen nach unseren Handynummern gefragt wurden (dass uns gerade alles gestohlen worden war, hatten sie anscheinend schon wieder vergessen) und sich unser Chef mit den Beamten über unser Gewicht lustig gemacht hatte, konnte ich nicht anders, als dem unfähigen Beamten den Stift aus der Hand zu nehmen und selber aufzuschreiben, was gestohlen wurde. Ich wollte nicht noch weitere zwei Stunden darauf warten, dass er mit der Schreibweise unserer Namen klarkam. Ich war den Tränen nahe ob der Unverschämtheiten der Polizisten.

Schließlich stellten wir uns dann die Frage, was jetzt geschehen wird. Nach vielen Telefonaten mit unserer deutschen Chefin entschieden wir dann mit den tansanischen Chefs und Betreuern in Dar es Salaam, dass wir die Einsatzstelle wechseln würden. Jetzt wird alles arrangiert, eine Unterkunft für uns gesucht und wir warten nur noch auf das OK, umziehen zu können. Das Verhältnis zu unserem Chef ist gestört, seitdem wir ihn auf sein Verhalten angesprochen haben. Da es für die DTP wichtig und auch in unserem Interesse ist, bringen wir die angefangenen Projekte noch zu einem Ende, um Enttäuschungen zu vermeiden.

Man hat uns gefragt, ob es nicht eine Art Weglaufen ist, was wir jetzt machen, aber ich bin ehrlich. Da bin ich lieber jetzt egoistisch, starte nochmal neu in einer neuen Stadt und neuen Einsatzstelle und erlebe noch eine gute zweite Hälfte des Freiwilligenjahres, als in einer Einsatzstelle und Stadt unzufrieden zu sein, in der ich zusammenzucke, wenn Menschen hinter mir anfangen zu rennen. Ich sehe es auch als Chance an, Tansania nochmal anders zu erleben. Es ist so, als würde ich zwei Freiwilligenjahre machen. Wenn man wie ich nicht nur an den Erfolg eines Projektes, sondern auch an die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse denkt und das Jahr zu einem unvergesslichen Abschnitt der Jugend machen will, ist es eigentlich ideal. So hat alles Unglück doch auch immer eine gute Seite.

Es war jedoch erstaunlich wie viele Tansanier, denen wir von dem Vorkommen erzählten, direkt zum Ausdruck brachten, Arusha und seine Einwohner seien eigentlich ganz friedliche Menschen. Na klar, es gibt überall Gute und Böse. Wir versuchen in den letzten Tage hier dem Bösen aus dem Weg zu gehen und noch die Dinge zu tun, die wir schon immer in Arusha machen wollten. Mir fällt es auch wieder leicht, mich an den kleinen schönen Dingen des Tages zu erfreuen, so sah ich gestern, wie die junge Nachbarskatze spielerisch um eine richtig fette Kakerlake rumstolperte und an ihr gar nichts abstoßend zu finden schien.

Mittwoch, 18. November 2009

Kleidung in Tansania

Die Tansanier kleiden sich in alles, was sie finden können. Dementsprechend ist das Straßenbild ein recht buntes. Ich habe bisher keine Mode entdecken können, es mischen sich alle Stile der vergangen Jahrzehnte und Kulturen.

Der Großteil der Frauen trägt traditionelle Stoffe, die Kanga oder Kitenge genannt werden. Ein Kanga besteht aus zwei identischen Hälften, die meist auseinandergeschnitten werden und auf verschiedene Arten um den Körper gewickelt werden können. Meist wird der eine Teil als Wickelrock verwendet, während die andere Hälfte wie ein Schultertuch umgeworfen wird. Viele Frauen trennen auch noch einen schmalen Streifen ab, um ihn sich um den Kopf zu binden. Kangas sind bedruckte Stoffe, die immer eine Borde und einen Spruch an einer der langen Seiten enthalten. Oft sind dies religiöse oder metaphorische Sprüche. Zum Beispiel kann ein Mann einer Frau einen Kanga mit der Aufschrift “10 Kühe laufen über die Straße” schenken, welcher aber im übertragenen Sinn bedeutet, dass er um ihre Hand anhält.

Im Gegensatz zu den schlicht gestalteten Kitenge (Abschnitte von einfarbigen Stoffbahnen) sind Kangas mit aufwändigen und auffälligen Mustern in knalligen Farben bedruckt. Ein häufig gesehenes Motiv ist ein weißer Hintergrund mit blauen Kreisen. Mir scheint es, als könne man die Stoffe aber in Altersklassen unterscheiden, manche sind moderner gestaltet und werden so häufiger von jungen Frauen getragen.
Man kann sowohl Kangas als auch Kitenge am Straßenrand von vielen SchneiderInnen in Röcke, Oberteile und ähnliches verarbeiten lassen. Dabei scheint es nur wenige verschiedene Mustervorlagen zu geben, welche meist sehr pompös mit vielen Falten und Einsätzen gestaltet sind.
Die Kleidungs-Globalisierung ist aber auch bis nach Tansania vorgeschritten: Tshirts, Tops, Hosen und Röhrenjeans im westlichen Stil sieht man oft an jungen Frauen. Ich habe mir sagen lassen, dass diese Kleidungsstücke aus den europäischen, asiatischen und amerikanischen Altkleidersammlungen stammen und zum günstigen Verkauf importiert werden. Leider sehen sie auch danach aus, manchmal treffe ich auf knallige pinkfarbene Schlaghosen, wie sie in den 70ern modern waren. Dass sie hier von Männern getragen werden, macht es auch nicht besser.

Oft binden sich die jungen Frauen aber über die Hosen auch noch einen Kanga um die Hüfte, ich weiß nicht, ob ihnen so der Spagat zwischen ihrer afrikanischen und der wachsenden westlichen Kultur leichter fällt oder ob sie das Altmodische etwas kaschieren wollen.

Männer sieht man meistens in senfgelben oder ockerfarbigen Stoffhosen, immer zu weit und zu lang, mit passendem schlabberigem und gleichzeitig kastenförmigem Jackett mit Schulterpolstern über einem weißen Hemd. Wie diese Anzüge aus den 50ern in dem Schlamm der Regenzeit so sauber bleiben könne, ist mir ein Rätsel. Meine Waden sind mit braunen Schlammspritzer besprenkelt, während sie so aussehen, als kämen sie frisch aus der Reinigung. Die jüngere Generation trägt zerschlissene Jeans. Und diese sind nicht “used-look”-zerschlissen, sondern ähneln oft schon Lumpen. Darüber tragen sie Tshirts, die mit Löchern übersäht sind und anscheinend wochenlang nicht gewaschen wurden. Oft sind es auch einfach Werbe-Tshirts.

Im Gegensatz zu Deutschland sind Kopfbedeckungen für Männer noch sehr schick. Mützen, Kappen und Hüte in allen Formen und Farben wärmen die so ausgeprägten Hinterköpfe der Afrikaner.
Der einzige Stamm, den man an seiner Kleidung erkennen kann, sind die Massai. Sowohl Männer als auch Frauen wickeln sich in rot oder lilafarben karierte Stoffe, Schuhe aus alten Autoreifen bedecken ihre Füße und als einziges Accessoire dient ein Hirtenstock. Dieser wird in der Stadt nicht benötigt, stellt aber ihre traditionelle Lebensweise dar. Man erkennt sie außerdem an kreisförmigen Narben im Gesicht und ausgeleierten, rumhängenden Ohrläppchen, bei deren Anblick sich mir immer der Magen umdreht.

Kinder und Jugendliche sieht man ausschließlich in Schuluniformen. Da gibt es auch die unterschiedlichsten und abenteuerlichsten Farbkombinationen. Besonders beliebt ist tomatenrot mit pink, olivgrün und senfgelb ist für meine Augen schon etwas angenehmer.

All diese beschriebenen Stile können aber auch je nach Stimmung variiert und kombiniert werden, dafür, ob etwas zusammenpasst, haben Tansanier scheinbar keinen Sinn. Aber vielleicht fehlt ihnen auch das Geld für eine vielfältige Garderobe, sodass ihnen nichts anderes übrig bleibt.

Dienstag, 3. November 2009

Die Wohnungssuche

Nach den ersten zwei Monaten meines Freiwilligenjahres kann ich all denjenigen, die planen, sich für eine längere Zeit in Tansania aufzuhalten, folgende Empfehlung nur ans Herz legen: Möchte man die Tansanier und ihre gesellschaftlichen Verhaltensweisen möglichst schnell und effektiv kennenlernen, so suche man sich einfach eine Wohnung in Arusha.

Diese Erfahrung wird jeden mit nützlichen Erkenntnissen bereichern und für die ein oder andere Situation innerhalb der tansanischen Kultur wappnen.

Mich hat sie in sämtliche Vororte Arushas geführt, zum Vergeuden meiner kostbaren Lebenszeit mit endlosem Warten gezwungen, zwei Stunden lang einen Berg hinaufklettern und das komplette Spektrum von der Holzhütte bis zur 500$-Villa besichtigen lassen.

Einem Neuankömmling ohne jegliche Erfahrung, Sprach- oder Landeskenntnissen stellt sich womöglich die Frage: Wo soll ich bloß anfangen? Man muss sich nur auf die Straße stellen, ein bisschen hilflos durch die Gegend schauen und schon wird einer der vielen Menschen, die sich gelangweilt draußen aufhalten, seine Hilfe anbieten. Eine andere, für europäische Maßstäbe recht ungewöhnliche, Variante ist es, einen beliebigen Laden oder Straßenstand aufzusuchen und dort zu fragen. Der Eigentümer wird sich so lange umhören, bis sich mindestens fünf verschiedene arbeitslose “Immobilienmakler” gefunden haben. Man muss sich auch nicht entscheiden, wem man als Erstes folgen soll, der Aufdringlichste und Willensstärkste wird einen bei der Hand nehmen und mit sich ziehen.

Die nächste Hürde ist, die eigenen Anforderungen an das neue Heim so zu vermitteln, dass sie sowohl verstanden als auch umgesetzt und nicht willentlich ignoriert werden. Fragt man nach einer 2-Zimmer-Wohnung, wird einem ein 7-Zimmer-Haus gezeigt werden, allein deshalb, weil die Tansanier davon ausgehen, Weiße würden ihren hohen Lebensstandard auch in Tansania nicht aufgeben und in einem riesigen Haus leben wollen.
Da Arusha eine sehr touristische, überbevölkerte und teure Stadt ist, gibt es kaum leerstehende und für wenig Geld verfügbare Unterkünfte, die auch zentral und vor allem sicher sind. Ein Gate ist Pflicht, ein 24-h-Guardian viel besser. Die meisten tansanischen Familien mit gutem Einkommen kaufen sich Wachhunde, die von der Polizei ausgebildet wurden und jeden unbekannten Eindringling sofort ankündigen bzw. eher angreifen. Hunde erfreuen sich hier keines hohen Ansehens oder besonders herzlicher Behandlung, weil sie nur als Nutztiere verwendet werden. Sie sind bis auf die Rippen ausgehungert, graben in Abfallcontainern nach Essbarem und werden getreten, wodurch sie besonders aggressiv werden.

Wir waren auf der Suche nach einer kleinen Wohnung mit zwei Schlafzimmern und einem Bad. Das sich die Erfüllung dieses doch recht bescheidenen Wunsches als so schwierig herausstellen würde, hätten wir nicht gedacht. Stundenlang haben wir auf Unbekannte warten müssen, wurden versetzt oder vergessen und erreichten nach einigen erfolglosen Versuchen einen entschieden zu hohen Grad der Verzweiflung.

Die vielen Tansanier, die sich so hilfsbereit angeboten hatten, schienen in uns nur eine besondere Einkommensquelle zu sehen; sie führten uns mit leeren Versprechungen zu Häusern, die unseren Vorstellungen überhaupt nicht entsprachen und versuchten dort, uns mit den besonderen Reizen der überteuerten Villen doch noch zu überzeugen.

Wir starteten einen letzten Versuch: Man führte uns zu einer Art Anwesen, die in das tiefe Grün des dörflichen Afrikas gebettet und von vielen Bananenpalmen, Ziegenställen und Kühen umgeben war. Wir waren begeistert, nahmen dem Immobilienmakler das Versprechen ab, sie für uns zu reservieren und konnten endlich erleichtert durchatmen. Als wir jedoch zwei Tage später dem Eigentümer einen Besuch abstatteten, teilte man uns mit, die Wohnung sei nicht mehr zu haben. Geld zählt hier mehr als alles andere und ein Tansanier schien uns zuvorgekommen und direkt für die nächsten 6 Monate bezahlt zu haben.

Die Wohnungssuche entwickelte sich zu unserem Hauptprojekt, schließlich drängte die Zeit- Ende Oktober lief der Vertrag unserer Unterkunft aus. Als wir schließlich unseren Chef um Hilfe baten, legten wir einen Tag Power-Suchen ein. In sieben Stunden besuchten wir10 Häuser, von denen zwei geeignet waren. Wir entschieden uns für eines, bekamen es nicht, nahmen das andere. So waren wir schließlich wieder bei dem Anwesen gelandet, für das wir uns zu Anfang entschieden hatte. Es war nur ein anderes Appartement.

Aus dem folgenden Umzug habe ich gelernt, dass ich in Zukunft stets mit einem neuen Problem rechnen muss, sobald eines gelöst ist.
Wir organisierten uns einen Laster samt Fahrer, dessen Packer morgens ankamen, um mit dem Umzug zu beginnen.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon drei Stunden sorgenvollen Bangens hinter uns. Gegen 7 Uhr waren wir von einem Anruf unseres Chefs in Daressalam aus dem Schlaf gerissen worden, welcher uns mitteilte, unsere alte Vermieterin (“Buddha”) würde den Auszug so lange verweigern bis ein Nachmieter von uns gefunden worden war. Wir konnten es nicht fassen, dass dieser nicht ganz irrelevante Fakt uns am Tag unseres Umzugs mitgeteilt wurde--mal wieder ein perfektes Beispiel für die tansanische Organisationsweise!

Wir konnten dieses Problem in die Hände unseres Chefs in Arusha legen, während schon das nächste auftauchte. Buddha deklarierte unsere, von der DTP bezahlten Möbel als ihr Eigen. Ich weiß nicht, wem es gelungen ist, sie von dieser abstrusen Idee abzubringen, es war mir auch egal, ich wollte einfach nur den Umzug beginnen. Nur eines hat mich gewundert: Wenn ich beschließe, den Besitz anderer für mich einzunehmen, dann ziehe ich das auch bis zum bitteren Ende durch, sonst stünde ich doch als eindeutiger Betrüger da. Es hätte mich aber nicht wundern sollen, dass eine Frau, die schon wegen Kidnapping im Gefängnis saß und das Fahrrad unserer Vorgängerin gestohlen hat, auch vor Möbeln nicht Halt macht!
Schließlich waren unsere wenigen Holzmöbel und das restliche Hab und Gut ziemlich brutal auf die Ladefläche eines Pick-ups geschmissen und die Matratzen obenauf festgeschnürt worden, sodass es losgehen konnte. Wir baten darum, wie die Tansanier auf dem Turm von Gegenständen sitzen zu können und wurden so zu unserer neuen Bleibe transportiert--wahrscheinlich das Stadtgespräch des Tages.

Nun haben wir uns schön eingerichtet und schon fast an den Luxus eines eigenen Zimmers, einer kleinen Küche und eines komfortablen Bades gewöhnt. Jeden Tag belagern die vielen Kinder der Umgebung unsere Eingangstür und verlangen Bücher und andere kleine Gegenstände.
Dass ich zweimal täglich einen Weg von 2 km zur nächsten Bushaltestelle laufen muss, stört mich nicht im Geringsten.

Im Gegenteil genieße ich es sehr, die so belebte steinige Straße mit vielen Verkaufsständen entlangzugehen:
Morgens weht einem der Duft der zahlreichen fettgebackenen Köstlichkeiten entgegen und abends taucht die untergehende Sonne die Straße in warmes Licht. All das macht die anstrengenden Wochen der Wohnungssuche wieder wett und fast vergessen.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Einen Augenblick Geduld, bitte!

Bevor ich nach Tansania kam, war mir bewusst, dass das afrikanische Zeitgefühl ein anderes ist. Dass ich lernen muss, zu warten, geduldig zu sein und die Dinge laufen zu lassen. Ich hatte es mir alles aber nicht ganz so anstrengend, mühsam und verwirrend vorgestellt.

Tansanier verstünden es nicht, sagte man: “Ich habe keine Zeit“. Für sie geht Zeit nicht verloren, da sie sie -anders als wir linear- kreisförmig betrachten. Das bedeutet, Zeit kommt immer wieder. Wenn für uns ein Tag endet, beginnt bei ihnen der Neue.

Das erklärt vielleicht auch, dass sie Termine nicht als wichtig erachten. Oder vielmehr, dass sie sie gar nicht als solche anerkennen. Sie scheinen dann zu kommen, wenn sie wollen und man kann sich glücklich schätzen, wenn man eine Begründung für die Verspätung erhält.

Es ist hier wichtiger, sich ausführlich mit einem Bekannten zu unterhalten, den man zufällig auf der Straße getroffen hat, als weiterzueilen, um seine Verabredung nicht warten zu lassen. Die Bewertung, was unhöflicher ist, wird ganz anders getroffen als in Deutschland. Wir würden, klingelte mitten in einem Gespräch das eigene Mobiltelefon, schnell eine Entschuldigung murmeln und den Anrufer abweisen. Hier wird der Gesprächspartner einfach stehen gelassen, er wird ja wohl kaum weglaufen, wohingegen der Anrufer schwieriger wieder zu erreichen wäre.

Wenn man sich durch Tansania bewegt, kann man durchaus den Eindruck haben, es sei eine wartende Nation. Menschen sitzen am Straßenrand, wandern hin und her, unterhalten sich mit Fremden, alles nur, weil sie auf jemanden warten. Natürlich haben Tansanier überhaupt kein Problem damit, schließlich sind sie so aufgewachsen. Und wird ihnen doch mal langweilig, werden sich doch immer ein paar Touristen finden lassen, die man einfach mal so eine Zeit lang begleiten, zum nächsten Markt führen oder stundenlang mit den schmalzigsten Anmachsprüchen im Jugendzeitschriftenstil belästigen kann ( die beiden Favoriten: ”Did it hurt when you fell down from the sky today, because you look as sweet as an angel” und “Have you already thanked your mother for giving birth to you today?Otherwise I will do that!”).

Ich musste lernen, Zeitangaben nicht zu trauen bzw. erstmal in eine etwas realistischere Einschätzung umzurechnen. Bei 30 Minuten multipliziere man bitte mit 3 und wenn man um 16 Uhr verabredet ist, lohnt es sich, sich erst um 17 Uhr auf den Weg zu machen. Man kann sicher sein, dann immer noch warten zu müssen.

“Sasa hivi”, was eigentlich “jetzt genau” bedeutet, wird hier gerne als Allzweck-Angabe verwendet. Es kann zwei Minuten, eine Dreiviertelstunde oder auch eines Tages bedeuten. Ich habe einmal in einem Daladala beobachten können, wie eine Frau, gerade dazugestiegen, am Telefon ihrer Bekannten mitteilte, sie würde “sasa hivi” kommen, und zwar zu einem Ort, der ungefähr zwei Stunden entfernt ist.

Für mich ist es erstens eine große Umstellung und zweitens ganz schön anstrengend. Denn obwohl man draußen immer etwas Interessantes beobachten kann, ist langes Stehen doch nicht die schönste Beschäftigung, die ich mir vorstellen kann. Es ist mühsam, sich während des Wartens immer mit dem “wieso” und “warum” zu beschäftigen, irgendwann gibt man auf und ist einer von vielen, die am Straßenrand stehen und sich in Geduld üben. Keinem anderen jedoch steht die Erleichterung so ins Gesicht geschrieben wie mir, wenn endlich die lang ersehnte Person erscheint.

Freitag, 25. September 2009

Die Verkehrslage in Arusha

Man muss es gar nicht drauf anlegen, um in Tansania Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden. Es reicht völlig aus, einen Moment lang in Gedanken vertieft auf die Straße zu treten und schon kann man sich sicher sein, in Lebensgefahr zu schweben.

Ich neige fast dazu, zu sagen, dass es hier keine Verkehrsregeln gibt- sie sind zumindest nicht erkennbar. Niemand achtet auf so etwas wie “rechts vor links”, Straßenschilder kennt man hier nicht und das Fehlen von Ampeln trägt ebenfalls zu dem Chaos bei.

Neben Taxen, Safari-Jeeps und den teuren Schlitten der weißen Botschafter fahren die klapprigsten Gestelle von importierten chinesischen Toyota-Kleinbussen, die zum Transport der vielen Fußgänger dienen. Diese und immer im Straßenbild zu findene Reisebusse, die man lieber nicht nutzen möchte, haben sich den Titel “ kitschiges Wohnzimmer auf Rädern” bestens verdient. Je nach Geschmack kann man zwischen Inneneinrichtungen aus rotem Lack, beige-farbenem Leder oder knallbuntem Plüsch wählen. Oft fühle ich mich in das Empfangszimmer einer alten ostdeutschen Familie versetzt, aber auch das ferne Las Vegas lässt mit knallbunten Leuchtreklamen in solchen Verkehrsmitteln grüßen.

Wenn man jetzt schon denkt, auf Arushas Straßen muss die Hölle los sein, hat man sich getäuscht. Es gibt nämlich noch diverse weitere Verkehrsteilnehmer: fast auseinanderfallende Fahrräder transportieren Waren, die jeden Augenblick herunterzustürzen scheinen. Der von mir gesichtete Rekord waren 15 Matratzen-- auf dem Gepäckträger eines Drahtesels! Desweiteren wagen sich “pikipiki” in das rege Treiben; es sind Mopeds, an denen die Tansanier ihrer Kreativität freien Lauf lassen und sie mit allem, was man so finden kann, dekorieren. Oftmals sind sie von diesen “verschönernden” Applikationen so abgelenkt, dass der ein oder andere Fußgänger von ihnen erfasst wird. Es ist nicht schön, das mit ansehen zu müssen.

Auch die Tierwelt hat Spaß daran, den Verkehr aufzuhalten. Freilebende Hühner wackeln neben, ihren Besitzern entlaufenen, Ziegen die Straßen entlang oder genießen den Komfort auf einem der vielen Busdächer.
Und dann die vielen Menschen, die sich zwischen all diesen Verkehrsteilnehmern durchzwängen,-drängen und -quetschen müssen, da es leider keine oder nur sehr wenige Bürgersteige gibt.

Ich muss etwas zurücknehmen, eine inoffizielle Regel scheint sich im Laufe der Jahre etabliert zu haben: derjenige, der am lautesten und längsten auf seine Hupe drückt (sofern vorhanden), hat somit angekündigt, dass er mit einer irren Geschwindigkeit drauflosbrettern wird, in der Hoffnung, alle andern würden zur Seite gehen, springen oder fahren. Nach diesem Prinzip werde ich auch als Fußgänger gerne von hinten angehupt. Ich nehme an, es soll eine Vorwarnung sein, sie ist nur meistens leider recht überflüssig, weil der Warnende praktisch schon an meinen Fersen klebt.

Seitdem man mich gewarnt hat, Weiße würden ganz gerne auch mal absichtlich angefahren werden, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe ja immer Schuld an einem Unfall hätten, habe ich es mir angewöhnt, besonders aufmerksam zu sein.

Doch nicht immer liegt meine Sicherheit in meiner Hand. Erst gestern stand ich an einer sehr stark befahrenen Straße, als ich von dem lauten Platzen eines Reifens erschreckt wurde. Es war eines der vielen Daladalas, die mich bisher jeden Tag sicher zur Arbeit gebracht hatten. Es schlingerte ein bisschen, konnte sich aber wieder fangen. Und heute morgen auf dem Weg zur Arbeit knallte es auf einmal laut und ich dachte schon, oh nein, böses Omen! Aber es war ein Rohr an der Unterseite des Kleinbusses, das sich gelöst hatte. Es wurde dann so lange geknickt und gedreht, bis es der Muskelkraft des Schaffners nachgab. Und weiter ging die Fahrt. Ich hatte ein bisschen Sorge, schließlich haben normalerweise alle Rohre an einem Auto auch einen gewissen Zweck!

Bisher habe ich mein Ziel aber immer heil erreicht und gedenke es auch in Zukunft so zu halten.

Bis bald, Safari njema!!