Mittwoch, 18. November 2009

Kleidung in Tansania

Die Tansanier kleiden sich in alles, was sie finden können. Dementsprechend ist das Straßenbild ein recht buntes. Ich habe bisher keine Mode entdecken können, es mischen sich alle Stile der vergangen Jahrzehnte und Kulturen.

Der Großteil der Frauen trägt traditionelle Stoffe, die Kanga oder Kitenge genannt werden. Ein Kanga besteht aus zwei identischen Hälften, die meist auseinandergeschnitten werden und auf verschiedene Arten um den Körper gewickelt werden können. Meist wird der eine Teil als Wickelrock verwendet, während die andere Hälfte wie ein Schultertuch umgeworfen wird. Viele Frauen trennen auch noch einen schmalen Streifen ab, um ihn sich um den Kopf zu binden. Kangas sind bedruckte Stoffe, die immer eine Borde und einen Spruch an einer der langen Seiten enthalten. Oft sind dies religiöse oder metaphorische Sprüche. Zum Beispiel kann ein Mann einer Frau einen Kanga mit der Aufschrift “10 Kühe laufen über die Straße” schenken, welcher aber im übertragenen Sinn bedeutet, dass er um ihre Hand anhält.

Im Gegensatz zu den schlicht gestalteten Kitenge (Abschnitte von einfarbigen Stoffbahnen) sind Kangas mit aufwändigen und auffälligen Mustern in knalligen Farben bedruckt. Ein häufig gesehenes Motiv ist ein weißer Hintergrund mit blauen Kreisen. Mir scheint es, als könne man die Stoffe aber in Altersklassen unterscheiden, manche sind moderner gestaltet und werden so häufiger von jungen Frauen getragen.
Man kann sowohl Kangas als auch Kitenge am Straßenrand von vielen SchneiderInnen in Röcke, Oberteile und ähnliches verarbeiten lassen. Dabei scheint es nur wenige verschiedene Mustervorlagen zu geben, welche meist sehr pompös mit vielen Falten und Einsätzen gestaltet sind.
Die Kleidungs-Globalisierung ist aber auch bis nach Tansania vorgeschritten: Tshirts, Tops, Hosen und Röhrenjeans im westlichen Stil sieht man oft an jungen Frauen. Ich habe mir sagen lassen, dass diese Kleidungsstücke aus den europäischen, asiatischen und amerikanischen Altkleidersammlungen stammen und zum günstigen Verkauf importiert werden. Leider sehen sie auch danach aus, manchmal treffe ich auf knallige pinkfarbene Schlaghosen, wie sie in den 70ern modern waren. Dass sie hier von Männern getragen werden, macht es auch nicht besser.

Oft binden sich die jungen Frauen aber über die Hosen auch noch einen Kanga um die Hüfte, ich weiß nicht, ob ihnen so der Spagat zwischen ihrer afrikanischen und der wachsenden westlichen Kultur leichter fällt oder ob sie das Altmodische etwas kaschieren wollen.

Männer sieht man meistens in senfgelben oder ockerfarbigen Stoffhosen, immer zu weit und zu lang, mit passendem schlabberigem und gleichzeitig kastenförmigem Jackett mit Schulterpolstern über einem weißen Hemd. Wie diese Anzüge aus den 50ern in dem Schlamm der Regenzeit so sauber bleiben könne, ist mir ein Rätsel. Meine Waden sind mit braunen Schlammspritzer besprenkelt, während sie so aussehen, als kämen sie frisch aus der Reinigung. Die jüngere Generation trägt zerschlissene Jeans. Und diese sind nicht “used-look”-zerschlissen, sondern ähneln oft schon Lumpen. Darüber tragen sie Tshirts, die mit Löchern übersäht sind und anscheinend wochenlang nicht gewaschen wurden. Oft sind es auch einfach Werbe-Tshirts.

Im Gegensatz zu Deutschland sind Kopfbedeckungen für Männer noch sehr schick. Mützen, Kappen und Hüte in allen Formen und Farben wärmen die so ausgeprägten Hinterköpfe der Afrikaner.
Der einzige Stamm, den man an seiner Kleidung erkennen kann, sind die Massai. Sowohl Männer als auch Frauen wickeln sich in rot oder lilafarben karierte Stoffe, Schuhe aus alten Autoreifen bedecken ihre Füße und als einziges Accessoire dient ein Hirtenstock. Dieser wird in der Stadt nicht benötigt, stellt aber ihre traditionelle Lebensweise dar. Man erkennt sie außerdem an kreisförmigen Narben im Gesicht und ausgeleierten, rumhängenden Ohrläppchen, bei deren Anblick sich mir immer der Magen umdreht.

Kinder und Jugendliche sieht man ausschließlich in Schuluniformen. Da gibt es auch die unterschiedlichsten und abenteuerlichsten Farbkombinationen. Besonders beliebt ist tomatenrot mit pink, olivgrün und senfgelb ist für meine Augen schon etwas angenehmer.

All diese beschriebenen Stile können aber auch je nach Stimmung variiert und kombiniert werden, dafür, ob etwas zusammenpasst, haben Tansanier scheinbar keinen Sinn. Aber vielleicht fehlt ihnen auch das Geld für eine vielfältige Garderobe, sodass ihnen nichts anderes übrig bleibt.

Dienstag, 3. November 2009

Die Wohnungssuche

Nach den ersten zwei Monaten meines Freiwilligenjahres kann ich all denjenigen, die planen, sich für eine längere Zeit in Tansania aufzuhalten, folgende Empfehlung nur ans Herz legen: Möchte man die Tansanier und ihre gesellschaftlichen Verhaltensweisen möglichst schnell und effektiv kennenlernen, so suche man sich einfach eine Wohnung in Arusha.

Diese Erfahrung wird jeden mit nützlichen Erkenntnissen bereichern und für die ein oder andere Situation innerhalb der tansanischen Kultur wappnen.

Mich hat sie in sämtliche Vororte Arushas geführt, zum Vergeuden meiner kostbaren Lebenszeit mit endlosem Warten gezwungen, zwei Stunden lang einen Berg hinaufklettern und das komplette Spektrum von der Holzhütte bis zur 500$-Villa besichtigen lassen.

Einem Neuankömmling ohne jegliche Erfahrung, Sprach- oder Landeskenntnissen stellt sich womöglich die Frage: Wo soll ich bloß anfangen? Man muss sich nur auf die Straße stellen, ein bisschen hilflos durch die Gegend schauen und schon wird einer der vielen Menschen, die sich gelangweilt draußen aufhalten, seine Hilfe anbieten. Eine andere, für europäische Maßstäbe recht ungewöhnliche, Variante ist es, einen beliebigen Laden oder Straßenstand aufzusuchen und dort zu fragen. Der Eigentümer wird sich so lange umhören, bis sich mindestens fünf verschiedene arbeitslose “Immobilienmakler” gefunden haben. Man muss sich auch nicht entscheiden, wem man als Erstes folgen soll, der Aufdringlichste und Willensstärkste wird einen bei der Hand nehmen und mit sich ziehen.

Die nächste Hürde ist, die eigenen Anforderungen an das neue Heim so zu vermitteln, dass sie sowohl verstanden als auch umgesetzt und nicht willentlich ignoriert werden. Fragt man nach einer 2-Zimmer-Wohnung, wird einem ein 7-Zimmer-Haus gezeigt werden, allein deshalb, weil die Tansanier davon ausgehen, Weiße würden ihren hohen Lebensstandard auch in Tansania nicht aufgeben und in einem riesigen Haus leben wollen.
Da Arusha eine sehr touristische, überbevölkerte und teure Stadt ist, gibt es kaum leerstehende und für wenig Geld verfügbare Unterkünfte, die auch zentral und vor allem sicher sind. Ein Gate ist Pflicht, ein 24-h-Guardian viel besser. Die meisten tansanischen Familien mit gutem Einkommen kaufen sich Wachhunde, die von der Polizei ausgebildet wurden und jeden unbekannten Eindringling sofort ankündigen bzw. eher angreifen. Hunde erfreuen sich hier keines hohen Ansehens oder besonders herzlicher Behandlung, weil sie nur als Nutztiere verwendet werden. Sie sind bis auf die Rippen ausgehungert, graben in Abfallcontainern nach Essbarem und werden getreten, wodurch sie besonders aggressiv werden.

Wir waren auf der Suche nach einer kleinen Wohnung mit zwei Schlafzimmern und einem Bad. Das sich die Erfüllung dieses doch recht bescheidenen Wunsches als so schwierig herausstellen würde, hätten wir nicht gedacht. Stundenlang haben wir auf Unbekannte warten müssen, wurden versetzt oder vergessen und erreichten nach einigen erfolglosen Versuchen einen entschieden zu hohen Grad der Verzweiflung.

Die vielen Tansanier, die sich so hilfsbereit angeboten hatten, schienen in uns nur eine besondere Einkommensquelle zu sehen; sie führten uns mit leeren Versprechungen zu Häusern, die unseren Vorstellungen überhaupt nicht entsprachen und versuchten dort, uns mit den besonderen Reizen der überteuerten Villen doch noch zu überzeugen.

Wir starteten einen letzten Versuch: Man führte uns zu einer Art Anwesen, die in das tiefe Grün des dörflichen Afrikas gebettet und von vielen Bananenpalmen, Ziegenställen und Kühen umgeben war. Wir waren begeistert, nahmen dem Immobilienmakler das Versprechen ab, sie für uns zu reservieren und konnten endlich erleichtert durchatmen. Als wir jedoch zwei Tage später dem Eigentümer einen Besuch abstatteten, teilte man uns mit, die Wohnung sei nicht mehr zu haben. Geld zählt hier mehr als alles andere und ein Tansanier schien uns zuvorgekommen und direkt für die nächsten 6 Monate bezahlt zu haben.

Die Wohnungssuche entwickelte sich zu unserem Hauptprojekt, schließlich drängte die Zeit- Ende Oktober lief der Vertrag unserer Unterkunft aus. Als wir schließlich unseren Chef um Hilfe baten, legten wir einen Tag Power-Suchen ein. In sieben Stunden besuchten wir10 Häuser, von denen zwei geeignet waren. Wir entschieden uns für eines, bekamen es nicht, nahmen das andere. So waren wir schließlich wieder bei dem Anwesen gelandet, für das wir uns zu Anfang entschieden hatte. Es war nur ein anderes Appartement.

Aus dem folgenden Umzug habe ich gelernt, dass ich in Zukunft stets mit einem neuen Problem rechnen muss, sobald eines gelöst ist.
Wir organisierten uns einen Laster samt Fahrer, dessen Packer morgens ankamen, um mit dem Umzug zu beginnen.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon drei Stunden sorgenvollen Bangens hinter uns. Gegen 7 Uhr waren wir von einem Anruf unseres Chefs in Daressalam aus dem Schlaf gerissen worden, welcher uns mitteilte, unsere alte Vermieterin (“Buddha”) würde den Auszug so lange verweigern bis ein Nachmieter von uns gefunden worden war. Wir konnten es nicht fassen, dass dieser nicht ganz irrelevante Fakt uns am Tag unseres Umzugs mitgeteilt wurde--mal wieder ein perfektes Beispiel für die tansanische Organisationsweise!

Wir konnten dieses Problem in die Hände unseres Chefs in Arusha legen, während schon das nächste auftauchte. Buddha deklarierte unsere, von der DTP bezahlten Möbel als ihr Eigen. Ich weiß nicht, wem es gelungen ist, sie von dieser abstrusen Idee abzubringen, es war mir auch egal, ich wollte einfach nur den Umzug beginnen. Nur eines hat mich gewundert: Wenn ich beschließe, den Besitz anderer für mich einzunehmen, dann ziehe ich das auch bis zum bitteren Ende durch, sonst stünde ich doch als eindeutiger Betrüger da. Es hätte mich aber nicht wundern sollen, dass eine Frau, die schon wegen Kidnapping im Gefängnis saß und das Fahrrad unserer Vorgängerin gestohlen hat, auch vor Möbeln nicht Halt macht!
Schließlich waren unsere wenigen Holzmöbel und das restliche Hab und Gut ziemlich brutal auf die Ladefläche eines Pick-ups geschmissen und die Matratzen obenauf festgeschnürt worden, sodass es losgehen konnte. Wir baten darum, wie die Tansanier auf dem Turm von Gegenständen sitzen zu können und wurden so zu unserer neuen Bleibe transportiert--wahrscheinlich das Stadtgespräch des Tages.

Nun haben wir uns schön eingerichtet und schon fast an den Luxus eines eigenen Zimmers, einer kleinen Küche und eines komfortablen Bades gewöhnt. Jeden Tag belagern die vielen Kinder der Umgebung unsere Eingangstür und verlangen Bücher und andere kleine Gegenstände.
Dass ich zweimal täglich einen Weg von 2 km zur nächsten Bushaltestelle laufen muss, stört mich nicht im Geringsten.

Im Gegenteil genieße ich es sehr, die so belebte steinige Straße mit vielen Verkaufsständen entlangzugehen:
Morgens weht einem der Duft der zahlreichen fettgebackenen Köstlichkeiten entgegen und abends taucht die untergehende Sonne die Straße in warmes Licht. All das macht die anstrengenden Wochen der Wohnungssuche wieder wett und fast vergessen.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Einen Augenblick Geduld, bitte!

Bevor ich nach Tansania kam, war mir bewusst, dass das afrikanische Zeitgefühl ein anderes ist. Dass ich lernen muss, zu warten, geduldig zu sein und die Dinge laufen zu lassen. Ich hatte es mir alles aber nicht ganz so anstrengend, mühsam und verwirrend vorgestellt.

Tansanier verstünden es nicht, sagte man: “Ich habe keine Zeit“. Für sie geht Zeit nicht verloren, da sie sie -anders als wir linear- kreisförmig betrachten. Das bedeutet, Zeit kommt immer wieder. Wenn für uns ein Tag endet, beginnt bei ihnen der Neue.

Das erklärt vielleicht auch, dass sie Termine nicht als wichtig erachten. Oder vielmehr, dass sie sie gar nicht als solche anerkennen. Sie scheinen dann zu kommen, wenn sie wollen und man kann sich glücklich schätzen, wenn man eine Begründung für die Verspätung erhält.

Es ist hier wichtiger, sich ausführlich mit einem Bekannten zu unterhalten, den man zufällig auf der Straße getroffen hat, als weiterzueilen, um seine Verabredung nicht warten zu lassen. Die Bewertung, was unhöflicher ist, wird ganz anders getroffen als in Deutschland. Wir würden, klingelte mitten in einem Gespräch das eigene Mobiltelefon, schnell eine Entschuldigung murmeln und den Anrufer abweisen. Hier wird der Gesprächspartner einfach stehen gelassen, er wird ja wohl kaum weglaufen, wohingegen der Anrufer schwieriger wieder zu erreichen wäre.

Wenn man sich durch Tansania bewegt, kann man durchaus den Eindruck haben, es sei eine wartende Nation. Menschen sitzen am Straßenrand, wandern hin und her, unterhalten sich mit Fremden, alles nur, weil sie auf jemanden warten. Natürlich haben Tansanier überhaupt kein Problem damit, schließlich sind sie so aufgewachsen. Und wird ihnen doch mal langweilig, werden sich doch immer ein paar Touristen finden lassen, die man einfach mal so eine Zeit lang begleiten, zum nächsten Markt führen oder stundenlang mit den schmalzigsten Anmachsprüchen im Jugendzeitschriftenstil belästigen kann ( die beiden Favoriten: ”Did it hurt when you fell down from the sky today, because you look as sweet as an angel” und “Have you already thanked your mother for giving birth to you today?Otherwise I will do that!”).

Ich musste lernen, Zeitangaben nicht zu trauen bzw. erstmal in eine etwas realistischere Einschätzung umzurechnen. Bei 30 Minuten multipliziere man bitte mit 3 und wenn man um 16 Uhr verabredet ist, lohnt es sich, sich erst um 17 Uhr auf den Weg zu machen. Man kann sicher sein, dann immer noch warten zu müssen.

“Sasa hivi”, was eigentlich “jetzt genau” bedeutet, wird hier gerne als Allzweck-Angabe verwendet. Es kann zwei Minuten, eine Dreiviertelstunde oder auch eines Tages bedeuten. Ich habe einmal in einem Daladala beobachten können, wie eine Frau, gerade dazugestiegen, am Telefon ihrer Bekannten mitteilte, sie würde “sasa hivi” kommen, und zwar zu einem Ort, der ungefähr zwei Stunden entfernt ist.

Für mich ist es erstens eine große Umstellung und zweitens ganz schön anstrengend. Denn obwohl man draußen immer etwas Interessantes beobachten kann, ist langes Stehen doch nicht die schönste Beschäftigung, die ich mir vorstellen kann. Es ist mühsam, sich während des Wartens immer mit dem “wieso” und “warum” zu beschäftigen, irgendwann gibt man auf und ist einer von vielen, die am Straßenrand stehen und sich in Geduld üben. Keinem anderen jedoch steht die Erleichterung so ins Gesicht geschrieben wie mir, wenn endlich die lang ersehnte Person erscheint.

Freitag, 25. September 2009

Die Verkehrslage in Arusha

Man muss es gar nicht drauf anlegen, um in Tansania Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden. Es reicht völlig aus, einen Moment lang in Gedanken vertieft auf die Straße zu treten und schon kann man sich sicher sein, in Lebensgefahr zu schweben.

Ich neige fast dazu, zu sagen, dass es hier keine Verkehrsregeln gibt- sie sind zumindest nicht erkennbar. Niemand achtet auf so etwas wie “rechts vor links”, Straßenschilder kennt man hier nicht und das Fehlen von Ampeln trägt ebenfalls zu dem Chaos bei.

Neben Taxen, Safari-Jeeps und den teuren Schlitten der weißen Botschafter fahren die klapprigsten Gestelle von importierten chinesischen Toyota-Kleinbussen, die zum Transport der vielen Fußgänger dienen. Diese und immer im Straßenbild zu findene Reisebusse, die man lieber nicht nutzen möchte, haben sich den Titel “ kitschiges Wohnzimmer auf Rädern” bestens verdient. Je nach Geschmack kann man zwischen Inneneinrichtungen aus rotem Lack, beige-farbenem Leder oder knallbuntem Plüsch wählen. Oft fühle ich mich in das Empfangszimmer einer alten ostdeutschen Familie versetzt, aber auch das ferne Las Vegas lässt mit knallbunten Leuchtreklamen in solchen Verkehrsmitteln grüßen.

Wenn man jetzt schon denkt, auf Arushas Straßen muss die Hölle los sein, hat man sich getäuscht. Es gibt nämlich noch diverse weitere Verkehrsteilnehmer: fast auseinanderfallende Fahrräder transportieren Waren, die jeden Augenblick herunterzustürzen scheinen. Der von mir gesichtete Rekord waren 15 Matratzen-- auf dem Gepäckträger eines Drahtesels! Desweiteren wagen sich “pikipiki” in das rege Treiben; es sind Mopeds, an denen die Tansanier ihrer Kreativität freien Lauf lassen und sie mit allem, was man so finden kann, dekorieren. Oftmals sind sie von diesen “verschönernden” Applikationen so abgelenkt, dass der ein oder andere Fußgänger von ihnen erfasst wird. Es ist nicht schön, das mit ansehen zu müssen.

Auch die Tierwelt hat Spaß daran, den Verkehr aufzuhalten. Freilebende Hühner wackeln neben, ihren Besitzern entlaufenen, Ziegen die Straßen entlang oder genießen den Komfort auf einem der vielen Busdächer.
Und dann die vielen Menschen, die sich zwischen all diesen Verkehrsteilnehmern durchzwängen,-drängen und -quetschen müssen, da es leider keine oder nur sehr wenige Bürgersteige gibt.

Ich muss etwas zurücknehmen, eine inoffizielle Regel scheint sich im Laufe der Jahre etabliert zu haben: derjenige, der am lautesten und längsten auf seine Hupe drückt (sofern vorhanden), hat somit angekündigt, dass er mit einer irren Geschwindigkeit drauflosbrettern wird, in der Hoffnung, alle andern würden zur Seite gehen, springen oder fahren. Nach diesem Prinzip werde ich auch als Fußgänger gerne von hinten angehupt. Ich nehme an, es soll eine Vorwarnung sein, sie ist nur meistens leider recht überflüssig, weil der Warnende praktisch schon an meinen Fersen klebt.

Seitdem man mich gewarnt hat, Weiße würden ganz gerne auch mal absichtlich angefahren werden, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe ja immer Schuld an einem Unfall hätten, habe ich es mir angewöhnt, besonders aufmerksam zu sein.

Doch nicht immer liegt meine Sicherheit in meiner Hand. Erst gestern stand ich an einer sehr stark befahrenen Straße, als ich von dem lauten Platzen eines Reifens erschreckt wurde. Es war eines der vielen Daladalas, die mich bisher jeden Tag sicher zur Arbeit gebracht hatten. Es schlingerte ein bisschen, konnte sich aber wieder fangen. Und heute morgen auf dem Weg zur Arbeit knallte es auf einmal laut und ich dachte schon, oh nein, böses Omen! Aber es war ein Rohr an der Unterseite des Kleinbusses, das sich gelöst hatte. Es wurde dann so lange geknickt und gedreht, bis es der Muskelkraft des Schaffners nachgab. Und weiter ging die Fahrt. Ich hatte ein bisschen Sorge, schließlich haben normalerweise alle Rohre an einem Auto auch einen gewissen Zweck!

Bisher habe ich mein Ziel aber immer heil erreicht und gedenke es auch in Zukunft so zu halten.

Bis bald, Safari njema!!

Mittwoch, 16. September 2009

Wie ich mich in Tansania einlebe....

13. September

Tansanier schreien gerne. Sie schreien sogar für ihr Leben gern. Nach dem Motto, je lauter desto besser. Dass meine Ohren mittlerweile darunter leiden, scheint sie nicht sonderlich zu interessieren.

Wollen sie sich mit einer Bekannten unterhalten, die sie gerade getroffen haben, dann reden sie, indem die eine ihren Weg geht, die andere dort bleibt, wo man sie getroffen hat. Sie beginnen mit einer für mich schon ungewohnten Lautstärke, als würde dies das Gesagte irgendwie noch betonen. Und es ist klar, je weiter man sich entfernt, desto lauter muss man schreien. Und wenn man allein die Dauer der Begrüßung in Tansania kennt, kann man sich wunderbar vorstellen, wie lange es dauert, bis zwei Tratschtanten die neuesten News ausgetauscht haben. Ihr Gespräch endet dann gefühlte fünf Kilometer weiter. Aus irgendeinem Grund scheint es sich nicht zu lohnen, stehenzubleiben.

Sie schreien wie wild, wenn sie sich freuen, jemanden zu treffen. Jugendliche schreien sich an, wenn sie auf der Straße einen Konflikt ausdiskutieren. Marktverkäufer preisen schreiend ihre Waren an, in dem verzweifelten Versuch, ihre Konkurrenten zu übertönen. Und besonders gern wird das Wort “mzungu” geschrien. Damit sind alle Weißen gemeint. Aus Geschäften, Bussen, Autos und kleinen Verkaufsständen dringt es zu einem. Jeder Mensch, der einem entgegenkommt, sagt es, warum auch immer. Als müssten sie uns noch mal klar machen, welche Hautfarbe wir haben. Ob es freundlich, neutral oder negativ gemeint ist, wird nicht immer klar. Aber besonders Kinder schreien dieses Wort gern. Sie wollen damit genau wie sämtliche tansanische Männer meine Aufmerksamkeit erlangen.
Nachts hört man das Geschrei von Betrunkenen, Sonntags morgens schon um 5 Uhr das schrille Trillern der Frauen, die sich auf den Gottesdienst einstimmen. Tagsüber trifft man auf mehrere Hundert angehende Soldaten und Polizisten, die im Gleichschritt und mit Holzgewehr Befehle oder ähnliches schreiend durch die Stadt rennen.

Ich höre mindestens zweimal wöchentlich das befehlerische Schreien meiner Vermieterin, die ich insgeheim Buddha nenne. Sie ist der beste Beweis dafür, dass füllige Menschen meist ein sehr ausgeprägtes Sprachorgan haben. Sie sitzt/liegt den ganzen Tag in ihrem thronartigen Bett, zugemüllt mit den schrecklichsten Dekorationen, die in ihrem Kitsch nicht übertroffen werden könnten und meint mich mit geschrienen “you better do that quickly” zu anstehender Putzarbeit kommandieren zu können. Ein sehr unangenehmer Mitmensch.

Diese alltäglichen Erfahrungen sind für meine Ohren sehr strapazierend, doch heute habe ich das bisher Krasseste erlebt. Ich bin von einer alten “Mama” von der Arbeit eingeladen worden, doch mal mit ihr in die Kirche zu gehen. Ich habe mich sehr über dieses Angebot gefreut, fand ich die harmonischen Töne eines Frauenchors beim täglichen Üben in der Nähe meiner Wohnung doch immer ganz spannend. Heute wurde ich aber in die winzige Andachtsstätte von ein paar sektenartigen Christen geführt. Wir waren ungefähr 15 Menschen in einer düsteren Lehmhütte. Anfangs dachte ich, oh Gott ( ha, welch Ironie), wohin hat es mich denn hier verschlagen? Als dann ein Mann begann, schreiend eine Predigt zu halten, dachte ich noch, ok, vielleicht beginnt man hier so einen Gottesdienst.

Man stelle sich einen Raum von vielleicht 15 km2 vor, in dem man quasi eine Stunde lang direkt angeschrien wird. Mal ganz davon abgesehen, dass ich kaum ein Wort verstanden habe, kann das ganz schön anstrengend sein. Irgendwann war das dann vorbei und ich atmete erleichtert auf. Ich war aber nicht auf das vorbereitet, was folgte. Es sei Zeit zu beten, teilte mir ein junges Mädchen auf Englisch mit. Ich habe die Hände gefaltet, in der Erwartung, einer würde jetzt das Wort ergreifen und für alle beten. Anstattdessen verteilten sich aber alle im Raum und begannen, ihr eigenes Gebet zu sprechen. Sie redeten sich dermaßen in Rage, dass ich eine halbe Stunde später dachte, ich sei im Irrenhaus gelandet.

Alle SCHRIEN zu Gott, flehten ihn an, rauften sich die Haare, schlugen gegen die Wände und heulten hysterisch. Dabei wurde ab und zu unrhythmisch geklatscht und einer bearbeitete eine Trommel so ungestüm, dass das Fell jeden Moment hätte reißen können. Sie schrien und schrien, fielen auf die Knie und brachten schluchzende “HALLELUJA”s hervor. Und ich saß da und wusste nicht, wie mir geschah. Nach vier Stunden war das Schauspiel dann vorbei. Meine Augen tränten von dem staubigen und düsteren Licht, mein Gesäß tat weh von den Kanten der Holzbank, die sich so langsam in meinen Körper drückten und meine Ohren surrten.
So muss sich ein Tinitus anfühlen.

Meine lieben Freunde und Unterstützer,
dies ist mein erstes Lebenszeichen aus Tansania an euch. Es ist jetzt schon ein Monat vergangen. Manchmal wundere ich mich darüber, wie schnell die Zeit verfliegt, aber manchmal denke ich auch, ui, das macht dann noch elf Weitere!

Meine ersten Erfahrungen und Eindrücke von diesem armen, dreckigen, schönen und für mich höchst interessanten Land habe ich in der größten Stadt, Dar es Salaam, gesammelt. Wir, d.h. alle 16 Freiwillige, die die DTP dieses Jahr entsendet, haben auf dem Unigelände gelebt und ein paar uns völlig unterfordernde Sprachstunden mit einem, unseren Verbesserungsvorschlägen ignoranten, Sprachlehrer gehabt, der sich besser seinem Hauptberuf Journalist widmen sollte. Nachmittags standen bestimmt 7 Vorträge von unterschiedlichen NGO´s oder sonstigen Unternehmen, sie sich irgendwie für Erneuerbare Energien einsetzen, auf dem Programm. Leider war einer ermüdender als der andere und wir haben deshalb nicht so viel daraus mitnehmen können.

Das Seminar war eigentlich nur insofern sinnvoll, dass wir ein bisschen Zeit hatten, uns an das Land und die Lebensweise zu gewöhnen. So bin ich hier in Arusha schon an das geschäftige Treiben auf den Straßen gewöhnt.
Arusha ist eine sehr schöne Stadt, die in eine noch schönere Umgebung gebettet ist. Durch die hohe und nördliche Lage ist es wesentlich kühler und weniger feucht als in vielen anderen Teilen Tansanias. Arusha ist nicht weit von den bekannten Nationalparks Serengeti und Ngorongoro entfernt, auch die kenianische Grenze ist nicht fern. Bei besonders schönem Wetter und wolkenlosen Himmel kann man das Glück haben, das “Dach Afrikas”, den Kilimanjaro, zu sehen. Ich gebe mich aber auch gerne mit dem Mount Meru zufrieden, der direkt neben Arusha liegt. Eines Tages möchte ich mal die vielen kleinen einzelnen Lehmhütten und ihre Bewohner auf dem Hang des Berges besuchen.

Generell ist Arusha sehr grün und überall plätschern kleine Bäche und Flüsse. Es ist wie eine große Oase, in der sich meine Augen mal von der staubigen und trockenen Atmosphäre der Innenstadt erholen können.
Unser Chef hat uns heute seinen ausgearbeiteten Plan für das nächste Jahr vorgelegt, was unsere Aufgaben sein werden. Er ist sehr lang und ausführlich und eigentlich nicht zu schaffen, aber so haben wir immer was zu tun. Wir werden 1. die Aufgabe haben, eine Internetseite für KAKUTE, der Organisation, zu erstellen. Heute morgen haben wir uns schon html-Kenntnisse angeeignet. Es ist uns erstaunlicherweise sehr leicht gefallen, eine Seite haben wir schon eingerichtet. Komplett mit Bildern, Farben, Text und so weiter. Wir sind sehr stolz darauf, mit sowas "Kompliziertem" so gut klarzukommen.2. sollen wir während des kompletten Jahres mindestens fünf Village-Presentations machen, d.h. Leute ausbilden, Wissen über Erneuerbare Energien weiterzugeben. Damit das Ganze nachhaltig wird und nicht von Weißen runtergepredigt wird. Da werden wir dann Material mitnehmen, sodass die Menschen in den Dörfern sich das etwas konkreter vorstellen können. Da unser Chef sehr auf Gewinn aus ist, soll das Ganze zu möglichst vielen verkauften Solar-Home-Systemen führen.Als 3. sollen wir über 80 Firmen, NGO´s und Organisationen anhand eines selbsterstellten Interviewbogens nach ihrer Mission und Vision befragen und anschließend mögliche Partner bzw. Förderer herausfiltern. Das wird sehr lange dauern, da wir dafür auch teilweise im Land herumreisen müssen.Und 4. sollen wir in Dörfer gehen, mit Familien sprechen und eine Studie machen, ob und wie arme Familien von Erneuerbaren Energien profitieren könnten.Jetzt habt Ihr mal einen kleinen Überblick darüber, was ich während meines Freiwilligenjahres so auf die Beine stellen werde.

Ich lebe mit meiner Einsatzstellenpartnerin auf ungefähr 15 km2, die in zwei Zimmerchen aufgeteilt sind. Die Einrichtung ist recht spartanisch, Holzbretter und Ziegelsteine bilden die Regale, wir haben nur eine Matratze, auf der man einigermaßen gut schlafen kann, die andere ist so dünn, dass man mit blauen Flecken am Rücken und Hüftschmerzen aufwacht. Beide sind leider von Ameise belagert.

Unser Luxusgegenstand ist ein Gasherd, den wir bei Stromausfall als winzige Lichtquelle einsetzen, als Toaster umfunktionieren und mit dem wir viele leckere Mahlzeiten zubereiten können, die mal eine Abwechslung zu dem tansanischen Allzweckgericht Reis mit Bohnen bilden.

Ich trete hier ständig in Fettnäpfchen, es scheint mir schon, als würde ich sämtliche Fehler, die man machen kann, für Maria(meine Partnerin) direkt mitmachen. Das geht sogar so weit, dass ich der Frau meines Chefs, die uns netterweise eingeladen hat, bei ihr zu essen, sage, dass ich sie liebe. Dabei wollte ich nur ihr Essen loben ( das nebenbei nicht so lecker war)! Naja ich hab´s mit Humor genommen und einfach gelacht. Das mach ich auch dann, wenn ich Liebeserklärungen von fremden Männern kriege. Sie lachen meistens mit.

Mein Chef lebt in einem Vorort von Arusha. Das war vielleicht eine Erfahrung. Seine 23-jährige Tochter hat uns in der Stadt aufgegabelt und wir sind nach einer achterbahn-ahnlichen Daladalafahrt im Dschungel angekommen. Wir sind mitten durch Maisfelder gelaufen, mussten uns den Weg durch Palmenbüsche bahnen und haben hier und da mal ein Haus gesehen. Nachdem wir uns beim Springen über sehr breite Bäche die Füße nassgemacht haben und immer wieder sandige Hänge runtergerutscht sind, kamen wir in ihrem Haus an. Es folge eine lange Begrüßungszeremonie und peinliche Stille. Irgendwann hab ich dann angefangen, etwas auf Kiswahili zu stammeln, bis wieder großes Gelächter war, warum, weiß ich bis heute nicht. Winnie, die Tochter und ihre Cousine Neema haben uns dann in dem Dorf rumgeführt, was wieder eine kleine Safari war. Bei tausend verschiedenen Menschen haben wir angehalten, zwei Minuten in ihrem Wohnzimmer verbracht und Essen abgelehnt, dass sie uns trotz Ramadhan angeboten haben. Dann gings ab zum Nächsten Haus. Auf unseren Wegen wurden wir natürlich von einer Horde von Kindern begleiten, die uns Bälle an den Kopf geworfen haben, wahrscheinlich um auszutesten, wie Weiße dann reagieren.

Ich hoffe, ich konnte Euch einen kleinen Einblick in mein tansanisches Leben und meine Impressionen geben. Ein weiterer Bericht folgt in ein, zwei Monaten, wenn ich wieder vieles Neues berichten kann und einiges bestimmt anders sehen werde.