Mittwoch, 18. November 2009

Kleidung in Tansania

Die Tansanier kleiden sich in alles, was sie finden können. Dementsprechend ist das Straßenbild ein recht buntes. Ich habe bisher keine Mode entdecken können, es mischen sich alle Stile der vergangen Jahrzehnte und Kulturen.

Der Großteil der Frauen trägt traditionelle Stoffe, die Kanga oder Kitenge genannt werden. Ein Kanga besteht aus zwei identischen Hälften, die meist auseinandergeschnitten werden und auf verschiedene Arten um den Körper gewickelt werden können. Meist wird der eine Teil als Wickelrock verwendet, während die andere Hälfte wie ein Schultertuch umgeworfen wird. Viele Frauen trennen auch noch einen schmalen Streifen ab, um ihn sich um den Kopf zu binden. Kangas sind bedruckte Stoffe, die immer eine Borde und einen Spruch an einer der langen Seiten enthalten. Oft sind dies religiöse oder metaphorische Sprüche. Zum Beispiel kann ein Mann einer Frau einen Kanga mit der Aufschrift “10 Kühe laufen über die Straße” schenken, welcher aber im übertragenen Sinn bedeutet, dass er um ihre Hand anhält.

Im Gegensatz zu den schlicht gestalteten Kitenge (Abschnitte von einfarbigen Stoffbahnen) sind Kangas mit aufwändigen und auffälligen Mustern in knalligen Farben bedruckt. Ein häufig gesehenes Motiv ist ein weißer Hintergrund mit blauen Kreisen. Mir scheint es, als könne man die Stoffe aber in Altersklassen unterscheiden, manche sind moderner gestaltet und werden so häufiger von jungen Frauen getragen.
Man kann sowohl Kangas als auch Kitenge am Straßenrand von vielen SchneiderInnen in Röcke, Oberteile und ähnliches verarbeiten lassen. Dabei scheint es nur wenige verschiedene Mustervorlagen zu geben, welche meist sehr pompös mit vielen Falten und Einsätzen gestaltet sind.
Die Kleidungs-Globalisierung ist aber auch bis nach Tansania vorgeschritten: Tshirts, Tops, Hosen und Röhrenjeans im westlichen Stil sieht man oft an jungen Frauen. Ich habe mir sagen lassen, dass diese Kleidungsstücke aus den europäischen, asiatischen und amerikanischen Altkleidersammlungen stammen und zum günstigen Verkauf importiert werden. Leider sehen sie auch danach aus, manchmal treffe ich auf knallige pinkfarbene Schlaghosen, wie sie in den 70ern modern waren. Dass sie hier von Männern getragen werden, macht es auch nicht besser.

Oft binden sich die jungen Frauen aber über die Hosen auch noch einen Kanga um die Hüfte, ich weiß nicht, ob ihnen so der Spagat zwischen ihrer afrikanischen und der wachsenden westlichen Kultur leichter fällt oder ob sie das Altmodische etwas kaschieren wollen.

Männer sieht man meistens in senfgelben oder ockerfarbigen Stoffhosen, immer zu weit und zu lang, mit passendem schlabberigem und gleichzeitig kastenförmigem Jackett mit Schulterpolstern über einem weißen Hemd. Wie diese Anzüge aus den 50ern in dem Schlamm der Regenzeit so sauber bleiben könne, ist mir ein Rätsel. Meine Waden sind mit braunen Schlammspritzer besprenkelt, während sie so aussehen, als kämen sie frisch aus der Reinigung. Die jüngere Generation trägt zerschlissene Jeans. Und diese sind nicht “used-look”-zerschlissen, sondern ähneln oft schon Lumpen. Darüber tragen sie Tshirts, die mit Löchern übersäht sind und anscheinend wochenlang nicht gewaschen wurden. Oft sind es auch einfach Werbe-Tshirts.

Im Gegensatz zu Deutschland sind Kopfbedeckungen für Männer noch sehr schick. Mützen, Kappen und Hüte in allen Formen und Farben wärmen die so ausgeprägten Hinterköpfe der Afrikaner.
Der einzige Stamm, den man an seiner Kleidung erkennen kann, sind die Massai. Sowohl Männer als auch Frauen wickeln sich in rot oder lilafarben karierte Stoffe, Schuhe aus alten Autoreifen bedecken ihre Füße und als einziges Accessoire dient ein Hirtenstock. Dieser wird in der Stadt nicht benötigt, stellt aber ihre traditionelle Lebensweise dar. Man erkennt sie außerdem an kreisförmigen Narben im Gesicht und ausgeleierten, rumhängenden Ohrläppchen, bei deren Anblick sich mir immer der Magen umdreht.

Kinder und Jugendliche sieht man ausschließlich in Schuluniformen. Da gibt es auch die unterschiedlichsten und abenteuerlichsten Farbkombinationen. Besonders beliebt ist tomatenrot mit pink, olivgrün und senfgelb ist für meine Augen schon etwas angenehmer.

All diese beschriebenen Stile können aber auch je nach Stimmung variiert und kombiniert werden, dafür, ob etwas zusammenpasst, haben Tansanier scheinbar keinen Sinn. Aber vielleicht fehlt ihnen auch das Geld für eine vielfältige Garderobe, sodass ihnen nichts anderes übrig bleibt.

Dienstag, 3. November 2009

Die Wohnungssuche

Nach den ersten zwei Monaten meines Freiwilligenjahres kann ich all denjenigen, die planen, sich für eine längere Zeit in Tansania aufzuhalten, folgende Empfehlung nur ans Herz legen: Möchte man die Tansanier und ihre gesellschaftlichen Verhaltensweisen möglichst schnell und effektiv kennenlernen, so suche man sich einfach eine Wohnung in Arusha.

Diese Erfahrung wird jeden mit nützlichen Erkenntnissen bereichern und für die ein oder andere Situation innerhalb der tansanischen Kultur wappnen.

Mich hat sie in sämtliche Vororte Arushas geführt, zum Vergeuden meiner kostbaren Lebenszeit mit endlosem Warten gezwungen, zwei Stunden lang einen Berg hinaufklettern und das komplette Spektrum von der Holzhütte bis zur 500$-Villa besichtigen lassen.

Einem Neuankömmling ohne jegliche Erfahrung, Sprach- oder Landeskenntnissen stellt sich womöglich die Frage: Wo soll ich bloß anfangen? Man muss sich nur auf die Straße stellen, ein bisschen hilflos durch die Gegend schauen und schon wird einer der vielen Menschen, die sich gelangweilt draußen aufhalten, seine Hilfe anbieten. Eine andere, für europäische Maßstäbe recht ungewöhnliche, Variante ist es, einen beliebigen Laden oder Straßenstand aufzusuchen und dort zu fragen. Der Eigentümer wird sich so lange umhören, bis sich mindestens fünf verschiedene arbeitslose “Immobilienmakler” gefunden haben. Man muss sich auch nicht entscheiden, wem man als Erstes folgen soll, der Aufdringlichste und Willensstärkste wird einen bei der Hand nehmen und mit sich ziehen.

Die nächste Hürde ist, die eigenen Anforderungen an das neue Heim so zu vermitteln, dass sie sowohl verstanden als auch umgesetzt und nicht willentlich ignoriert werden. Fragt man nach einer 2-Zimmer-Wohnung, wird einem ein 7-Zimmer-Haus gezeigt werden, allein deshalb, weil die Tansanier davon ausgehen, Weiße würden ihren hohen Lebensstandard auch in Tansania nicht aufgeben und in einem riesigen Haus leben wollen.
Da Arusha eine sehr touristische, überbevölkerte und teure Stadt ist, gibt es kaum leerstehende und für wenig Geld verfügbare Unterkünfte, die auch zentral und vor allem sicher sind. Ein Gate ist Pflicht, ein 24-h-Guardian viel besser. Die meisten tansanischen Familien mit gutem Einkommen kaufen sich Wachhunde, die von der Polizei ausgebildet wurden und jeden unbekannten Eindringling sofort ankündigen bzw. eher angreifen. Hunde erfreuen sich hier keines hohen Ansehens oder besonders herzlicher Behandlung, weil sie nur als Nutztiere verwendet werden. Sie sind bis auf die Rippen ausgehungert, graben in Abfallcontainern nach Essbarem und werden getreten, wodurch sie besonders aggressiv werden.

Wir waren auf der Suche nach einer kleinen Wohnung mit zwei Schlafzimmern und einem Bad. Das sich die Erfüllung dieses doch recht bescheidenen Wunsches als so schwierig herausstellen würde, hätten wir nicht gedacht. Stundenlang haben wir auf Unbekannte warten müssen, wurden versetzt oder vergessen und erreichten nach einigen erfolglosen Versuchen einen entschieden zu hohen Grad der Verzweiflung.

Die vielen Tansanier, die sich so hilfsbereit angeboten hatten, schienen in uns nur eine besondere Einkommensquelle zu sehen; sie führten uns mit leeren Versprechungen zu Häusern, die unseren Vorstellungen überhaupt nicht entsprachen und versuchten dort, uns mit den besonderen Reizen der überteuerten Villen doch noch zu überzeugen.

Wir starteten einen letzten Versuch: Man führte uns zu einer Art Anwesen, die in das tiefe Grün des dörflichen Afrikas gebettet und von vielen Bananenpalmen, Ziegenställen und Kühen umgeben war. Wir waren begeistert, nahmen dem Immobilienmakler das Versprechen ab, sie für uns zu reservieren und konnten endlich erleichtert durchatmen. Als wir jedoch zwei Tage später dem Eigentümer einen Besuch abstatteten, teilte man uns mit, die Wohnung sei nicht mehr zu haben. Geld zählt hier mehr als alles andere und ein Tansanier schien uns zuvorgekommen und direkt für die nächsten 6 Monate bezahlt zu haben.

Die Wohnungssuche entwickelte sich zu unserem Hauptprojekt, schließlich drängte die Zeit- Ende Oktober lief der Vertrag unserer Unterkunft aus. Als wir schließlich unseren Chef um Hilfe baten, legten wir einen Tag Power-Suchen ein. In sieben Stunden besuchten wir10 Häuser, von denen zwei geeignet waren. Wir entschieden uns für eines, bekamen es nicht, nahmen das andere. So waren wir schließlich wieder bei dem Anwesen gelandet, für das wir uns zu Anfang entschieden hatte. Es war nur ein anderes Appartement.

Aus dem folgenden Umzug habe ich gelernt, dass ich in Zukunft stets mit einem neuen Problem rechnen muss, sobald eines gelöst ist.
Wir organisierten uns einen Laster samt Fahrer, dessen Packer morgens ankamen, um mit dem Umzug zu beginnen.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon drei Stunden sorgenvollen Bangens hinter uns. Gegen 7 Uhr waren wir von einem Anruf unseres Chefs in Daressalam aus dem Schlaf gerissen worden, welcher uns mitteilte, unsere alte Vermieterin (“Buddha”) würde den Auszug so lange verweigern bis ein Nachmieter von uns gefunden worden war. Wir konnten es nicht fassen, dass dieser nicht ganz irrelevante Fakt uns am Tag unseres Umzugs mitgeteilt wurde--mal wieder ein perfektes Beispiel für die tansanische Organisationsweise!

Wir konnten dieses Problem in die Hände unseres Chefs in Arusha legen, während schon das nächste auftauchte. Buddha deklarierte unsere, von der DTP bezahlten Möbel als ihr Eigen. Ich weiß nicht, wem es gelungen ist, sie von dieser abstrusen Idee abzubringen, es war mir auch egal, ich wollte einfach nur den Umzug beginnen. Nur eines hat mich gewundert: Wenn ich beschließe, den Besitz anderer für mich einzunehmen, dann ziehe ich das auch bis zum bitteren Ende durch, sonst stünde ich doch als eindeutiger Betrüger da. Es hätte mich aber nicht wundern sollen, dass eine Frau, die schon wegen Kidnapping im Gefängnis saß und das Fahrrad unserer Vorgängerin gestohlen hat, auch vor Möbeln nicht Halt macht!
Schließlich waren unsere wenigen Holzmöbel und das restliche Hab und Gut ziemlich brutal auf die Ladefläche eines Pick-ups geschmissen und die Matratzen obenauf festgeschnürt worden, sodass es losgehen konnte. Wir baten darum, wie die Tansanier auf dem Turm von Gegenständen sitzen zu können und wurden so zu unserer neuen Bleibe transportiert--wahrscheinlich das Stadtgespräch des Tages.

Nun haben wir uns schön eingerichtet und schon fast an den Luxus eines eigenen Zimmers, einer kleinen Küche und eines komfortablen Bades gewöhnt. Jeden Tag belagern die vielen Kinder der Umgebung unsere Eingangstür und verlangen Bücher und andere kleine Gegenstände.
Dass ich zweimal täglich einen Weg von 2 km zur nächsten Bushaltestelle laufen muss, stört mich nicht im Geringsten.

Im Gegenteil genieße ich es sehr, die so belebte steinige Straße mit vielen Verkaufsständen entlangzugehen:
Morgens weht einem der Duft der zahlreichen fettgebackenen Köstlichkeiten entgegen und abends taucht die untergehende Sonne die Straße in warmes Licht. All das macht die anstrengenden Wochen der Wohnungssuche wieder wett und fast vergessen.