Sonntag, 7. März 2010

Weihnachten, wie es jedes Jahr sein könnte...

Schon lange stand fest, dass alle Freiwilligen die Zeit zwischen den Jahren gemeinsam verbringen würden – so konnten wir uns nach vier Monaten wiedersehen und die eventuell aufkommene Einsamkeit vermeiden. Es wurde nicht lange überlegt und sich schnell auf den Treffpunkt geinigt: Zanzibar, Weihnachts-Aufenthaltsort aller jungen Weißen, die sich für eine längere Zeit in Tansania befinden.

Untergebracht waren wir in dem für tansanische Verhältnisse geräumigen und luxuriösen Haus von einem der Chefs. Er hatte uns freundlicherweise nicht nur dieses, sondern auch seine zwei, wie sich herausstellen sollte klapprigen, Kleinbusse überlassen. So stand der Erkundungstour der Insel nichts mehr im Weg.


Zu Beginn wurde die größte Stadt der Insel, Stone Town, besichtigt. Es ist eine wunderschöne Stadt, deren Architektur sich nicht so ganz zwischen dem griechischem und arabischem Baustil entscheiden zu können scheint. Von der Fähre aus blickt man auf eine strahlend weiße, prachtvolle Häuserreihe, die direkt am Strand liegt. Dringt man tiefer in die Altstadt ein, befindet man sich sofort in einem Labyrinth von kleinen Gassen, in denen neben den üblichen Touristenwaren wunderschöne Stoffe und Kunstwerke verkauft werden.

Es dringt kaum Sonnenlicht in dieses verschachtelte Straßensystem. Pompös verschnörkelte Fensterläden und Türen zieren die weniger schönen Häuserfronten, deren Farbe abblättert und somit den grauen, schimmeligen Putz durchscheinen lässt. Aber wahrscheinlich sind es genau diese Makel, denen die Stadt ihren Charme zu verdanken hat.


Wenn man früh morgens unterwegs ist, trifft man an jeder Häuserecke auf die kleinen Stände sehr alter Herren, an denen sie Ingwertee, bitteren Mokka und zuckersüßes Gebäck verkaufen. Sie scheinen der Treffpunkt der alten Herrschaften nach dem morgendlichen Moscheebesuch zu sein. Man muss sich nur zu ihnen setzen, ein bisschen über das schöne Wetter quatschen und schon hat man sie so glücklich gemacht, dass sie einem nicht nur – die zanzibarische Herzlichkeit lobend – die Köstlichkeiten bezahlen, sondern direkt einen Heiratsantrag machen.


Abends verwandelt sich Stone Town in ein buntes Lichtermeer. Besonders in den Forodhani Gardens, einem recht neu gestaltetem Platz mit prächtigen Torbögen, erleuchten viele Petroleumlampen die Stände der Köche. Sobald es dunkel ist, statten sie sich mit weißen Chefkochmützen aus und beginnen, verlockend duftende Speisen zuzubereiten: krosse Fleischspieße, Meerestiere aller Art, scharfe Kartoffelbällchen, Fettgebackenes, frittiertes Gemüse oder die köstliche „Zanzibar-Pizza“ (Man nehme eine Schicht hauchdünnen Blätterteig, ein Häufchen Hackfleisch drauf, eine ordentliche Portion Zwiebeln, ein bisschen Käse und schließlich ein Ei drauf, alles gut vermengen und dann auf eine gigantische Pfanne hieven, braten lassen – fertig!). Es regt ein wirres Treiben und man jagt von Stand zu Stand, unfähig sich zu entscheiden, was man sich jetzt am liebsten gönnen möchte.


Seinen Durst kann man mit frisch gepresstem Zuckerrohrsaft löschen, der mit etwas Ingwer verfeinert und mit ein paar Eiswürfeln serviert das erfrischendste Getränk ist, dass man sich in diesen Breitengraden vorstellen kann.

Wenn man dann mit diesem Saft in der Hand und einer Portion Hummer auf dem Schoß auf der Promenadenmauer hockt und die Lichtpunkte der Fischerboote im schwarzen Horizont verschwinden sieht, kann das Leben nicht schöner sein.


Am Heiligabend waren wir von einer zanzibarischen Familie zum Festmahl eingeladen worden. Extra für uns wurden sämtliche Inselspezialitäten aufgetischt (vielmehr wurden sie auf den Boden gestellt), welche wir dann im geselligen Sitzkreis verspiesen haben. Nachdem wir uns die Bäuche vollgeschlagen hatten, gingen einige von uns in den Gottesdienst, andere zogen es vor, all die Eindrücke am Strand zu verdauen.
Zurück in unserem Haus wurde bei Kerzenschein gewichtelt, schließlich gehören Geschenke einfach zu Weihnachten dazu.


Für die nächsten Tage war von den zanzibarischen Freiwilligen ein straffes Programm vorbereitet worden: Bei einer Gewürztour lernten wir, wie Pflanzen, die man in Deutschland nur im getrockneten Zustand kennt, wachsen. Muskat ähnelt zum Beispiel Kastanien, der Kern an sich ist aber von einem Netz roter Fäden umgeben, die laut unserem Guide eine Viagra-ähnliche Funktion haben. Überhaupt waren für ihn alle Pflanzen in irgendeiner Weise in diese Kategorie zu stecken.


Wir sind mit einem kleinen Boot mit dem Namen Mr.Bean zu einer winzigen Insel gefahren, die hauptsächlich Wohnort von Dutzenden Riesenschildkröten ist. Von da aus haben wir eine Schnorcheltour gemacht, bei der wir nur einen halben Meter über sehr schönen Korallen und mit einer Vielzahl von Fischen schwimmen konnten.
Außerdem haben wir in einem Wildpark kleine Äffchen beobachtet und einen Schmetterlingspark besucht.


Es war ein wunderbares Freiheitsgefühl, auf zurückgelegten Sitzen und mit guter Musik (dank Boom-Box) im Fake-VW-Bus über die Insel zu pesen, während einem der Fahrtwind um die Ohren pfiff und die vom Baden noch nasse Kleidung trocknete und draußen ins warme Abendlicht getauchte Bananenpalmen an uns vorbeirasten. Doch nicht immer hatten die Autofahrten eine so entspannte Atmosphere. Da die Autos schon einige Jahre auf dem Kasten und mit uns 16 Freiwilligen samt Gepäck auch nicht gerade eine leichte Fracht zu transportieren hatten, kamen wir nicht immer reibungslos an unser Ziel geschweige denn von unserem Startpunkt los. Denn sobald wir alle startbereit waren (was dank Integration ins tansanische Zeitgefühl nicht allen auf Anhieb leicht gefallen ist), wollte der Motor nicht anspringen oder die Verbindung zur Batterie war gestört oder am besten beides. Funktionierte all dies im „Inneren“ der Autos wunderbar, dann war mindestens ein Reifen platt. Innerhalb der 10 Tage auf Zanzibar haben wir 5 Ersatzreifen benötigt, ob es an unserer Fahrweise oder an den teilweise steinigen Straßen lag, wissen wir nicht.


So ist auch der Weg zu der Silvesterparty von einem solchen kleinen Zwischenfall locker um zwei Stunden verlängert worden. Wir waren guter Laune und unterwegs zu der Strandparty der Insel. Der Strand lag ungefähr anderthalb Stunden entfernt im Norden der Insel. Von den Erkundungstouren der Insel recht erschöpft, versuchten wir uns mit Musik schonmal in Tanzstimmung zu bringen, als 20 Minuten vor Ankunft auf einmal ein lauter Knall zu hören war und wir uns mitten in der Pampa mit geplatzem Reifen wiederfanden. Dann hieß es: aussteigen, nachschauen, Wagenheber rausholen und den glücklicherweise gerade neu gekauften Ersatzreifen einwechseln. Es war stockduster und vielleicht haben wir deshalb die ca. 50 Männer und Frauen sich nicht nähern sehen, doch waren wir plötzlich von vielen lachenden aber hilfsbereiten Tansaniern umgeben. Da sich Reifen auf unebenen Straßen nicht so leicht wechseln lassen, musste der Bus von vielen Händen gestützt werden. Schließlich war es geschafft und wir erreichten den Partystrand.


Nie war ich jemals zuvor so pünktlich zum Jahreswechsel erschienen, wir fanden uns in der Menge wieder als der Countdown schon die 5 erreicht hatte.




Montag, 1. März 2010

Wo Katzen mit Kakerlaken spielen...

Wie oft hat man mir in den letzten Wochen gesagt, ich solle doch mal wieder einen Blogeintrag schreiben! Einerseits brauchte es bis jetzt, dass das schlechte Gewissen, all die Erlebnisse schriftlich nicht festzuhalten- für euch und für mich-, die Faulheit besiegt hat und andererseits ist meine Enttäuschung erst jetzt überwunden. Dies ist nämlich nicht der erste Versuch, euch von meiner besonderen Reise zu berichten. Ich bin der unerträglichen Schwüle Dar es Salaams entflohen, habe an Zanzibars Traumstränden Tage und Nächte verbracht, bin nachts von den Hafenmauern Stone Towns ins kühle Wasser eingetaucht und Tansanias Tiervielfalt im Ruaha National Park begegnet – ich werde ein anderes Mal ausführlicher berichten.



Auf jeden Fall habe ich die bisher abwechslungsreichste, spannendste und beste Zeit meines Lebens in den anderthalb Monaten verbracht und einen etwas anderen Jahreswechsel erlebt.
Es ist so viel passiert, dass ich nach meiner Rückkehr sehr aufgewühlt war und wirklich Schwierigkeiten hatte, das Erlebte in Worte zu fassen. Naja, eines Abends war es mir gelungen, fast 8 Seiten zu füllen und ich war stolz auf das Ergebnis. Dass ich sie am nächsten Morgen im Büro online stellen wollte, sollte anscheinend nicht sein.



Maria und ich sind morgens um 10 Uhr nach einem Treffen mit einem Schulminister entlang einer stillgelegten Eisenbahnstrecke zum Büro gelaufen, als zwei junge Männer angerannt kamen, Maria ein großes Buschmesser an die Kehle hielten und uns die Taschen wegrissen. Völlig geschockt aber glücklicherweise unverletzt mussten wir feststellen, dass uns soeben neben den meisten unserer Wertsachen die Arbeitsergebnisse des letzten halben Jahres gestohlen wurden. Wie üblich, wenn wir zur Arbeit gingen, hatten wir beide unsere Laptops dabei, drei Handys, meine Online-banking Zugangsdaten und einige Memorysticks. Wir hatten unsere Arbeitsdokumente dort für den Fall eines Computerabsturzes gespeichert – dass sie uns gestohlen werden konnten, war uns nicht in den Sinn gekommen.



So waren wir innerhalb einer halben Minute an den Beginn unserer Arbeit zurückkatapultiert worden. All die Recherche, die wir vorbereitend für unser Schulprojekt und die Solarpresentationen in Dörfern gemacht hatten, war umsonst gewesen; sämtliche Versuche zu erneuerbaren Energien und unsere dokumentierten Ideen, wie man eine Unterrichtsstunde anschaulich gestalten konnte, waren weg. Gerade waren wir startbereit, den Unterricht mit den Lehrern zu planen und freuten uns darauf, aktiv zu werden, nachdem wir so viele Hürden gemeistert hatten.



Traurig war auch, dass wir unsere persönlichen Dinge verloren hatten. Die vielen Fotos, die unsere ersten Monate in Afrika dokumentierten, unsere mühsam zusammengesuchte Musiksammlung, die uns durch ganz unterschiedliche Launen geholfen hatte. Welcher Verlust mir aber am meisten Leid tut, sind die tagebuchartigen Texte, die ich immer wieder geschrieben hatte, nur für mich. Unersetzbar und ohne Kopie.



Schockierend war auch die Reaktion unseres Chefs, als wir völlig aufgelöst im Büro ankamen. Er zeigte keine Regung, kein Mitleid oder Trost, noch nicht mal ein „Pole", dass soviel bedeutet wie „Tut mir Leid" und in Tansania sonst in jeder auch noch so belanglosen Situation gesagt wird, brachte er hervor. Vielmehr schien er direkt alle Schuld von sich weisen zu wollen (in einer Situation, von der von Schuld keine Rede sein konnte) und sich darüber zu amüsieren, wie blöd die beiden weißen Mädels mal wieder gewesen sind. Ihr müsst wissen, unser Verhältnis zu ihm ist kein gutes, aber dafür, dass er uns sonst vor anderen immer als seine Töchter beschreibt, war er eiskalt.



Den Weg den wir genommen hatten, waren wir schön öfters auch alleine gegangen und nie davor gewarnt worden, es könne dort gefährlich werden. Während des Überfalls waren einige andere Tansanier anwesend, weil die Strecke einen beliebter Verbindungsweg zwischen zwei Hauptstraßen bildet. Ob sie aus Angst oder Desinteresse nicht eingegriffen haben, wissen wir nicht, aber wir waren empört. Einfach zuzuschauen, wie zwei junge Frauen so bedroht werden...
Unser Chef brachte uns zur Polizeistation, wo unsere Namen und die gestohlenen Dinge vermerkt wurden. In Tansania dauert alles länger und dass man nicht immer perfekt ausgebildete Arbeiter verlangen kann, ist auch klar. Aber nachdem ich von einem Polizisten sexuell belästigt wurde, wir von sämtlichen anderen nach unseren Handynummern gefragt wurden (dass uns gerade alles gestohlen worden war, hatten sie anscheinend schon wieder vergessen) und sich unser Chef mit den Beamten über unser Gewicht lustig gemacht hatte, konnte ich nicht anders, als dem unfähigen Beamten den Stift aus der Hand zu nehmen und selber aufzuschreiben, was gestohlen wurde. Ich wollte nicht noch weitere zwei Stunden darauf warten, dass er mit der Schreibweise unserer Namen klarkam. Ich war den Tränen nahe ob der Unverschämtheiten der Polizisten.



Schließlich stellten wir uns dann die Frage, was jetzt geschehen wird. Nach vielen Telefonaten mit unserer deutschen Chefin entschieden wir dann mit den tansanischen Chefs und Betreuern in Dar es Salaam, dass wir die Einsatzstelle wechseln würden. Jetzt wird alles arrangiert, eine Unterkunft für uns gesucht und wir warten nur noch auf das OK, umziehen zu können. Das Verhältnis zu unserem Chef ist gestört, seitdem wir ihn auf sein Verhalten angesprochen haben. Da es für die DTP wichtig und auch in unserem Interesse ist, bringen wir die angefangenen Projekte noch zu einem Ende, um Enttäuschungen zu vermeiden.



Man hat uns gefragt, ob es nicht eine Art Weglaufen ist, was wir jetzt machen, aber ich bin ehrlich. Da bin ich lieber jetzt egoistisch, starte nochmal neu in einer neuen Stadt und neuen Einsatzstelle und erlebe noch eine gute zweite Hälfte des Freiwilligenjahres, als in einer Einsatzstelle und Stadt unzufrieden zu sein, in der ich zusammenzucke, wenn Menschen hinter mir anfangen zu rennen. Ich sehe es auch als Chance an, Tansania nochmal anders zu erleben. Es ist so, als würde ich zwei Freiwilligenjahre machen. Wenn man wie ich nicht nur an den Erfolg eines Projektes, sondern auch an die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse denkt und das Jahr zu einem unvergesslichen Abschnitt der Jugend machen will, ist es eigentlich ideal. So hat alles Unglück doch auch immer eine gute Seite.



Es war jedoch erstaunlich wie viele Tansanier, denen wir von dem Vorkommen erzählten, direkt zum Ausdruck brachten, Arusha und seine Einwohner seien eigentlich ganz friedliche Menschen. Na klar, es gibt überall Gute und Böse. Wir versuchen in den letzten Tage hier dem Bösen aus dem Weg zu gehen und noch die Dinge zu tun, die wir schon immer in Arusha machen wollten. Mir fällt es auch wieder leicht, mich an den kleinen schönen Dingen des Tages zu erfreuen, so sah ich gestern, wie die junge Nachbarskatze spielerisch um eine richtig fette Kakerlake rumstolperte und an ihr gar nichts abstoßend zu finden schien.

Wo Katzen mit Kakerlaken spielen...

Wie oft hat man mir in den letzten Wochen gesagt, ich solle doch mal wieder einen Blogeintrag schreiben! Einerseits brauchte es bis jetzt, dass das schlechte Gewissen, all die Erlebnisse schriftlich nicht festzuhalten- für euch und für mich-, die Faulheit besiegt hat und andererseits ist meine Enttäuschung erst jetzt überwunden. Dies ist nämlich nicht der erste Versuch, euch von meiner besonderen Reise zu berichten. Ich bin der unerträglichen Schwüle Dar es Salaams entflohen, habe an Zanzibars Traumstränden Tage und Nächte verbracht, bin nachts von den Hafenmauern Stone Towns ins kühle Wasser eingetaucht und Tansanias Tiervielfalt im Ruaha National Park begegnet – ich werde ein anderes Mal ausführlicher berichten.

Auf jeden Fall habe ich die bisher abwechslungsreichste, spannendste und beste Zeit meines Lebens in den anderthalb Monaten verbracht und einen etwas anderen Jahreswechsel erlebt.
Es ist so viel passiert, dass ich nach meiner Rückkehr sehr aufgewühlt war und wirklich Schwierigkeiten hatte, das Erlebte in Worte zu fassen. Naja, eines Abends war es mir gelungen, fast 8 Seiten zu füllen und ich war stolz auf das Ergebnis. Dass ich sie am nächsten Morgen im Büro online stellen wollte, sollte anscheinend nicht sein.

Maria und ich sind morgens um 10 Uhr nach einem Treffen mit einem Schulminister entlang einer stillgelegten Eisenbahnstrecke zum Büro gelaufen, als zwei junge Männer angerannt kamen, Maria ein großes Buschmesser an die Kehle hielten und uns die Taschen wegrissen. Völlig geschockt aber glücklicherweise unverletzt mussten wir feststellen, dass uns soeben neben den meisten unserer Wertsachen die Arbeitsergebnisse des letzten halben Jahres gestohlen wurden. Wie üblich, wenn wir zur Arbeit gingen, hatten wir beide unsere Laptops dabei, drei Handys, meine Online-banking Zugangsdaten und einige Memorysticks. Wir hatten unsere Arbeitsdokumente dort für den Fall eines Computerabsturzes gespeichert – dass sie uns gestohlen werden konnten, war uns nicht in den Sinn gekommen.

So waren wir innerhalb einer halben Minute an den Beginn unserer Arbeit zurückkatapultiert worden. All die Recherche, die wir vorbereitend für unser Schulprojekt und die Solarpresentationen in Dörfern gemacht hatten, war umsonst gewesen; sämtliche Versuche zu erneuerbaren Energien und unsere dokumentierten Ideen, wie man eine Unterrichtsstunde anschaulich gestalten konnte, waren weg. Gerade waren wir startbereit, den Unterricht mit den Lehrern zu planen und freuten uns darauf, aktiv zu werden, nachdem wir so viele Hürden gemeistert hatten.

Traurig war auch, dass wir unsere persönlichen Dinge verloren hatten. Die vielen Fotos, die unsere ersten Monate in Afrika dokumentierten, unsere mühsam zusammengesuchte Musiksammlung, die uns durch ganz unterschiedliche Launen geholfen hatte. Welcher Verlust mir aber am meisten Leid tut, sind die tagebuchartigen Texte, die ich immer wieder geschrieben hatte, nur für mich. Unersetzbar und ohne Kopie.

Schockierend war auch die Reaktion unseres Chefs, als wir völlig aufgelöst im Büro ankamen. Er zeigte keine Regung, kein Mitleid oder Trost, noch nicht mal ein „Pole", dass soviel bedeutet wie „Tut mir Leid" und in Tansania sonst in jeder auch noch so belanglosen Situation gesagt wird, brachte er hervor. Vielmehr schien er direkt alle Schuld von sich weisen zu wollen (in einer Situation, von der von Schuld keine Rede sein konnte) und sich darüber zu amüsieren, wie blöd die beiden weißen Mädels mal wieder gewesen sind. Ihr müsst wissen, unser Verhältnis zu ihm ist kein gutes, aber dafür, dass er uns sonst vor anderen immer als seine Töchter beschreibt, war er eiskalt.

Den Weg den wir genommen hatten, waren wir schön öfters auch alleine gegangen und nie davor gewarnt worden, es könne dort gefährlich werden. Während des Überfalls waren einige andere Tansanier anwesend, weil die Strecke einen beliebter Verbindungsweg zwischen zwei Hauptstraßen bildet. Ob sie aus Angst oder Desinteresse nicht eingegriffen haben, wissen wir nicht, aber wir waren empört. Einfach zuzuschauen, wie zwei junge Frauen so bedroht werden...
Unser Chef brachte uns zur Polizeistation, wo unsere Namen und die gestohlenen Dinge vermerkt wurden. In Tansania dauert alles länger und dass man nicht immer perfekt ausgebildete Arbeiter verlangen kann, ist auch klar. Aber nachdem ich von einem Polizisten sexuell belästigt wurde, wir von sämtlichen anderen nach unseren Handynummern gefragt wurden (dass uns gerade alles gestohlen worden war, hatten sie anscheinend schon wieder vergessen) und sich unser Chef mit den Beamten über unser Gewicht lustig gemacht hatte, konnte ich nicht anders, als dem unfähigen Beamten den Stift aus der Hand zu nehmen und selber aufzuschreiben, was gestohlen wurde. Ich wollte nicht noch weitere zwei Stunden darauf warten, dass er mit der Schreibweise unserer Namen klarkam. Ich war den Tränen nahe ob der Unverschämtheiten der Polizisten.

Schließlich stellten wir uns dann die Frage, was jetzt geschehen wird. Nach vielen Telefonaten mit unserer deutschen Chefin entschieden wir dann mit den tansanischen Chefs und Betreuern in Dar es Salaam, dass wir die Einsatzstelle wechseln würden. Jetzt wird alles arrangiert, eine Unterkunft für uns gesucht und wir warten nur noch auf das OK, umziehen zu können. Das Verhältnis zu unserem Chef ist gestört, seitdem wir ihn auf sein Verhalten angesprochen haben. Da es für die DTP wichtig und auch in unserem Interesse ist, bringen wir die angefangenen Projekte noch zu einem Ende, um Enttäuschungen zu vermeiden.

Man hat uns gefragt, ob es nicht eine Art Weglaufen ist, was wir jetzt machen, aber ich bin ehrlich. Da bin ich lieber jetzt egoistisch, starte nochmal neu in einer neuen Stadt und neuen Einsatzstelle und erlebe noch eine gute zweite Hälfte des Freiwilligenjahres, als in einer Einsatzstelle und Stadt unzufrieden zu sein, in der ich zusammenzucke, wenn Menschen hinter mir anfangen zu rennen. Ich sehe es auch als Chance an, Tansania nochmal anders zu erleben. Es ist so, als würde ich zwei Freiwilligenjahre machen. Wenn man wie ich nicht nur an den Erfolg eines Projektes, sondern auch an die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse denkt und das Jahr zu einem unvergesslichen Abschnitt der Jugend machen will, ist es eigentlich ideal. So hat alles Unglück doch auch immer eine gute Seite.

Es war jedoch erstaunlich wie viele Tansanier, denen wir von dem Vorkommen erzählten, direkt zum Ausdruck brachten, Arusha und seine Einwohner seien eigentlich ganz friedliche Menschen. Na klar, es gibt überall Gute und Böse. Wir versuchen in den letzten Tage hier dem Bösen aus dem Weg zu gehen und noch die Dinge zu tun, die wir schon immer in Arusha machen wollten. Mir fällt es auch wieder leicht, mich an den kleinen schönen Dingen des Tages zu erfreuen, so sah ich gestern, wie die junge Nachbarskatze spielerisch um eine richtig fette Kakerlake rumstolperte und an ihr gar nichts abstoßend zu finden schien.